Gedanken am 15. Oktober
»Verletze nicht.« In meinem Kleiderschrank hängt ein
Waschbärmantel. Der Schaden ist schon geschehen. Die
Waschbären sind tot. Ich habe den Ratschlag verworfen, den
Pelzmantel zu begraben, weil dies das Opfer der Tiere sinnlos
gemacht und bedeutet hätte, ihr Geschenk zu mißachten.
Also blieb der Mantel mehrere Jahre lang im Schrank hängen
– als Symbol meines Kneifens vor einer Entscheidung.
Schließlich entschloß ich mich, ihn zu tragen. Bei unserem
allerersten Spaziergang trat eine Freundin an mich und die
Waschbären heran. Sie wies darauf hin, wer Pelze trage,
übermittle anderen die Botschaft, es sei völlig in Ordnung,
dies zu tun. Also werden sich noch mehr Tiere die Beine
abnagen müssen, tun sich aus Fangeisen zu befreien. Den
Ausweg aus diesem Dilemma lieferten meine ukrainischen
Verwandten. Für einen schönen Pelzmantel kann man sich
drüben eine ganze Wohnung kaufen. Also ziehen die Waschbären
nach Kiew um.
Tempelarbeit:
Verweile für ein paar Minuten im Gebet der Sammlung oder in
der Shamatha-Vipassana-Meditation. Stell dir vor, du träumtest,
daß in deinem Kleiderschrank ein Pelzmantel hängt: Was würdest
du damit anfangen? Werde jetzt bitte nicht selbstgerecht und
erzähle mir, da würde kein Pelzmantel hängen! Das ist ein
Traum, und im Traum ist alles möglich. Ohne unzählige Möglichkeiten
und viele verschiedene Konflikte gäbe es keinerlei Wachstum.