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Geht Corona jetzt immer so weiter?!

Corona bleibt. Und damit auch Masken, Impfungen und ständige Infektionen? Worauf wir uns einstellen müssen – und was wirklich sinnvoll wäre.

Nach der Pandemie kommt die Endemie
Wenn erstmal alle geimpft sind, dann sei die Pandemie vorbei – so hieß es 2020 noch von allen Seiten. Zwei Jahre später ist das „neue“ Coronavirus noch immer ein Thema, mal mehr, mal weniger beherrschend.
Es wird über neue Varianten diskutiert, über Maßnahmen im Herbst und Winter, über Impfungen und den x-ten Booster. Und wer sich sogar schon ein zweites Mal infiziert hat, fragt sich womöglich: Hört das überhaupt irgendwann auf?

Tatsächlich geht es nun in eine neue Phase. Aber Corona bleibt – und was das bedeutet, erklären wir euch hier.
Artikel Abschnitt: Deshalb müssen wir drüber sprechen:
Deshalb müssen wir drüber sprechen:
Der Weg in die alte Normalität wird schwer
Die Meldungen zu immer neuen Varianten, zu noch ansteckenderen oder doch wieder gefährlicheren Omikron-Subtypen, die Diskussion über neue Coronawellen im Sommer oder Winter, über Maskenpflicht und weitere Booster-Impfungen erinnern bislang eher an eine Zeitschleife – eine, in der man gefangen zu sein scheint, als drehe man sich im Kreis. Sieht so die neue Normalität aus? Geht es jetzt einfach immer so weiter?
Das Virus verändert sich schneller, als wir es gewohnt sind
Tatsächlich hängt das derzeit mit den vielen neuen Varianten zusammen. Bei Omikron hieß es, es wäre die Variante, die uns von der Pandemie in die Endemie bringe. Der Begriff bezeichnet einen Zustand, bei dem ein Virus in einer Region quasi heimisch geworden ist und in einer gleichbleibenden Häufigkeit auftritt.

In dem Zustand befinden sich auch die altbekannten Grippe- und Erkältungsviren. Ein Modus also, an den wir uns gewöhnt haben, der für uns normal ist, weil wir es nicht anders kennen.

Das Coronavirus schlägt nun aber auch im Sommer zu. Das hat natürlich einerseits damit zu tun, dass jetzt Maßnahmen gelockert wurden und der Alltag wieder sehr viele Kontakte erlaubt. Andererseits verändert sich SARS-CoV-2 derzeit anders, als wir es von den altbekannten Viren gewohnt sind. Bei ihnen verläuft die Evolution in Form von kleinsten Veränderungen im Erbgut treppenartig.

Bei einer Variante entsteht eine neue Mutation, davon ausgehend wieder eine neue. In der Wissenschaft ist dann die Rede vom „antigenic drift“. Das meint eine eher langsame genetische Verschiebung im Erbgut. Genau das ist bei den saisonalen Grippe- und Erkältungsviren zu beobachten.

Manchmal sind es viele, manchmal nur wenige spezielle Mutationen, die ausreichen, damit das Immunsystem schlechter auf das Virus reagieren kann – und es kommt wieder zur Infektion.

Das Coronavirus lässt sich schlechter vorhersagen
Bei SARS-CoV-2 entstehen die Varianten derzeit viel chaotischer. Es hat sich noch kein Subtyp so stark durchgesetzt, als dass etwa einzig und allein nur noch er zirkuliert und sich in Zukunft verändert. Stattdessen sind es viele verschiedene Omikron-Typen mit unterschiedlichen Mutationen.

Forscher der Charité haben untersucht, dass Coronaviren eigentlich eine geringere Mutationsrate haben als etwa Influenza-Viren. Daher kann man grob abschätzen, dass eine Infektion mit den bisherigen saisonalen Corona-Viren für circa zwei Jahre vor einer erneuten Ansteckung und Erkrankung schützt. Dieser Zeitraum ist bei SARS-CoV-2 aktuell viel kleiner.

Wir werden uns immer wieder infizieren – aber seltener als jetzt
Je nachdem, welcher Variante man begegnet, können auch binnen weniger Monate schon wieder Reinfektionen auftreten. Das ist möglich, weil neue oder andere Varianten sich so stark unterscheiden, dass das Immunsystem sie nicht so gut erkennt und die Abwehrmechanismen nicht so effektiv sind. Das ist auch der Grund, weshalb die Impfungen schlecht vor Omikron-Infektionen schützen.

Hinzu kommt, dass herkömmliche Impfungen gegenüber Atemwegsinfektionen nur einen kurzfristigen und relativ schwachen Effekt auf die Immunität an den besonders wichtigen Schleimhäuten ausüben – also da, wo das Virus zuerst in den Körper eintritt.

Dieser Schutz ist nach durchgemachten Infektionen meist besser und langlebiger als allein durch die Impfung, insbesondere bei der Kombination aus Infektion und Impfung. Die (Re-)Infektionen sind daher Fluch und Segen zugleich. Sie können bei Einzelnen Schäden anrichten, gleichzeitig führen sie aber zu mehr Immunität in der Bevölkerung oder frischen sie in der Regel wieder auf.

In Zukunft dürften die zeitlichen Abstände zwischen Infektionen daher wieder größer werden und die Coronawellen sich auf den Winter beschränken. Noch befinden wir uns in einem recht holprigen Übergangszustand. Wie lange das anhält, ist noch nicht klar.

Aber:
Eine Rechnung mit vielen Unbekannten
Die Endemie ist nicht zwangsläufig ein harmloser Zustand. Letztlich wird die Zukunft weder so sein wie der pandemische Ausnahmezustand der letzten zweieinhalb Jahre, noch lässt sich das Coronavirus gesellschaftlich einfach ignorieren.
Solange es zu vielen Infektionen kommt, wird das Effekte haben. Dazu zählen Krankmeldungen auf der Arbeit und damit Ausfälle, schwere Verläufe und auch Langzeitfolgen wie Long Covid.

Wie es weitergeht, lässt sich mit Blick auf die bekannten Viren etwas besser einschätzen. Wir leben schließlich schon mit sehr vielen endemischen Viren zusammen, darunter auch zahlreiche humane Coronaviren (HCoV) mit kryptischen Bezeichnungen wie 229E, OC43, NL63 oder HKU1.

Sie begleiten uns schon seit langer Zeit, treten vor allem in den Wintermonaten auf und sind für bis zu 30 Prozent aller akuten Erkrankungen der Atemwege verantwortlich, die zusammen mit den Influenzaviren in der kalten Jahreszeit zu Grippe- und Erkältungswellen führen. Daran haben wir uns schlicht gewöhnt, weil es nie anders war.

Wir kennen auch Jahre, in denen es die Bevölkerung besonders hart trifft, also sehr viele Erkrankungen auftreten, Menschen mit Lungenentzündung im Krankenhaus landen und sogar daran versterben.

SARS-CoV-2 als Virus unter vielen
Mit SARS-CoV-2 kommt nun ein weiteres, ein zusätzliches Virus in die alljährliche Zirkulation. Die künftigen „Grippewellen“ dürften daher weiterhin starken Schwankungen unterliegen. Dabei stehen die unterschiedlichen Viren in einer Art Wechselbeziehung.

So existiert eine Kreuzreaktivität, die bedeutet, dass Immunantworten gegen ein Coronavirus auch einen gewissen Schutz vor anderen Coronaviren bieten. Trotzdem gehen Forscher davon aus, dass die Fallzahlen insgesamt deutlich höher sein werden als vor der Pandemie.

Einen weiteren Einfluss auf die Situation im Winter könnten auch verschiedene SARS-CoV-2 Varianten haben, die etwa alle zwei Jahre dominieren, solange sie sich stark voneinander unterscheiden. So könnte es eine harmlosere und eine gefährlichere Variante geben.

Eine Rechnung mit vielen Unbekannten
Wie stark das Virus die Belastung des Gesundheitssystems beeinflusst, ist also abhängig von der tatsächlichen Mutationsrate, dem Infektionsgeschehen sowie dem Schutzeffekt durch Impfungen. Die vielen durchgemachten Infektionen und die Impfungen entschärfen die Situation.

Man könnte sich das Virus als eine Pistolenkugel vorstellen. Auch in der Endemie ist sie potenziell tödlich. Sobald die Menschheit aber eine kugelsichere Weste besitzt, werden tödliche Unfälle seltener. Dieser Schutz ist etwa eine gute Immunantwort nach Erstkontakt oder Impfung. Mit der Zeit aber sinkt der Schutz.

Das Wort Schutzweste klingt natürlich gut – und sinnvoll. Übertragen auf das Coronavirus ist die Debatte um Masken und Impfungen aber weitaus strittiger und komplizierter.

Eine kugelsichere Weste schützt nur dann, wenn sie getragen wird. Das gilt auch für die Masken. Werden sie korrekt getragen, können sie die Verbreitung von infektiösen Aerosolen verhindern. Dem Virus aber genügt es, wenn dann mit Freunden und Familie ein Stündchen ohne Maske am Tisch geplaudert wird.

Eine neue Infektionswelle lässt sich mit Masken nicht verhindern, höchstens abbremsen oder über einen größeren Zeitraum verteilen. Das kann das Gesundheitssystem entlasten.

Sind jährliche Impfungen nötig oder sinnvoll?
Bei den Impfungen ist es ebenfalls etwas komplizierter. Ausschlaggebend ist, …

… wer
… womit
… mit welchem Ziel geimpft wird.
Die Impfungen zeigen einen guten Schutz vor schweren Erkrankungen. Der anfängliche Schutz vor Infektionen ist bei Omikron-Varianten kaum noch gegeben und war immer schon eher kurzfristig.

Aktuell sind eine vierte oder fünfte Impfdosis im Herbst nur für Risikopersonen sinnvoll, die z.B. wegen Alter oder Vorerkrankungen noch nicht ausreichend auf die Impfstoffe angesprochen haben oder aber bei denen auch nur etwas höhere Antikörperspiegel einen messbaren Effekt haben.

Dauerhaft müssen sich die Impfstoffe verändern. Experten erwähnen hier eine Art Sättigung, wenn etwa immer wieder mit demselben Impfstoff geimpft wird, das Virus sich aber verändert hat. Das Immunsystem profitiert irgendwann nur noch wenig von zusätzlichen Antikörpern gegen eine Virusvariante, die es im Alltag gar nicht mehr gibt.

Regelmäßige Impfungen ergeben nach aktueller Sicht nur dann Sinn, wenn es sich um angepasste Impfstoffe handelt. Dann könnte der (kurzfristige) Schutz gegen Ansteckung besser ausfallen. Das würde gerade Risikopatienten helfen, denn wer sich nicht infiziert, erkrankt auch nicht schwer.

Von neuen Impfstoffen könnten auch Jüngere stärker profitieren
Nur dann wäre auch ein zusätzlicher Vorteil für jüngere Menschen gegeben, die sowieso ein deutlich niedrigeres Risiko für schwere Verläufe haben, welches durch bisherige Impfungen auch längerfristig nochmals geringer ist. Der Schutz vor Infektion könnte z.B. das Risiko von Long Covid reduzieren.

Hoffnungsvoll schauen Forschende auf Impfstoffe, die direkt über die Nase verabreicht werden. Gerade dort auf den Schleimhäuten ist der Schutz vor Infektion wichtig und hilfreich und könnte einen besseren Effekt erzielen als die bisherigen Impfungen.

Und jetzt?
Ein Vorgeschmack auf künftige Winter
Was bleibt: Das Coronavirus wird auch weiterhin in einer Art von Wellen auftreten.
Was sich ändert: Der Zeitraum wird sich langfristig mehr und mehr ausschließlich auf die Wintermonate verlagern.

Die Infektiosität von SARS-CoV-2 dürfte aber auf höhere Infektionswellen hindeuten, als es sie bislang mit der Grippe gab. Die Folge: Eine größere Belastung des ohnehin überanstrengten Gesundheitssystems – auf mindestens Jahre oder Jahrzehnte.

Für diesen Winter bedeutet das:
Diesen Winter hängt erst einmal vieles davon ab, ob weiterhin die Omikron-Variante BA.5 das Infektionsgeschehen dominiert. Bleibt sie, wäre ein größer Teil der Ansteckungen bereits passiert. Eine neue, stark veränderte Variante könnte hingegen zu vielen Reinfektionen führen.

Das neue Infektionsschutzgesetz sieht wieder eine Maskenpflicht in bestimmten Situationen vor. Sie kann die Weitergabe von Viruspartikeln während des Tragens verhindern. In den vielen alltäglichen Situationen ohne Maske wird es allerdings zu Ansteckungen kommen.

Das Infektionsgeschehen könnte etwas abgemildert werden – ist aber in der Realität abhängig vom Verhalten der Menschen. Maßnahmen können im Alltag nur so gut sein, wie sie nachvollzogen, akzeptiert und befolgt werden.

Genauso wird wieder über Isolation, Tests und Impfungen diskutiert. Derzeit spielen die verfügbaren Impfungen für Infektionen und Übertragung höchstens äußerst kurzfristig eine Rolle, gerade bei den stark veränderten Omikron-Varianten. Geimpfte sind daher mit Getesteten nicht gleichzusetzen.

Das Risiko der Übertragung ist bei Geimpften im direkten Vergleich derzeit höher. Anders könnte es sein, wenn bis zum Winter tatsächlich angepasste und effektive Impfstoffe vorliegen. Die Zusammensetzung wird derzeit noch erprobt.

Tatsächlich geht es darum, bei Maßnahmen das richtige Maß zu finden. Das ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung, weil der Schutz der Gesundheit mit Einschränkungen und Veränderungen einhergeht. Es wird womöglich auf Jahre eine Diskussion geführt, wie viel Krankheitslast eine Gesellschaft akzeptieren will – oder um welchen Preis.

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