Templer - Blog

Mobbing – Die Psychologie dahinter

Es passiert in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie. Mobbing ist weit verbreitet – und oft hinterlässt es bei den Opfern seelische Narben.

Mobbingopfer werden schikaniert, ausgegrenzt, fertig gemacht. Das kann das ganze weitere Leben beeinflussen – bei Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen. So haben Mobbingopfer beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Suchterkrankungen, Depressionen und andere psychische Erkrankungen. Laut einer Umfrage von Statista und dem Meinungsforschungsinstitut YouGov aus dem Jahr 2021 haben fast 30 Prozent der Befragten von Mobbingerfahrungen am Arbeitsplatz berichtet.

Wo fängt Mobbing an?
Es gibt gleich mehrere Begriffe für dasselbe Phänomen: „Mobbing“ kommt vom englischen „mob“ – also „der Pöbel“. Aber auch das Wort „Bullying“ wird oft verwendet: Als „Bully“ bezeichnet man im Englischen einen „brutalen Kerl“. Am Ende bedeutet beides dasselbe: Nämlich, dass eine Person von einer oder mehreren anderen über einen längeren Zeitraum schikaniert wird. Und das ist auch das, was es von Streitigkeiten oder punktuellen Gewaltausbrüchen unterscheidet – es passiert wiederholt und über einen längeren Zeitraum.

Dabei kann Mobbing aktiv oder passiv sein: Aktiv zum Beispiel, indem das Mobbingopfer geärgert, gehänselt, aggressiv angegangen, blamiert, bis hin zu körperlich angegriffen wird. Beim passiven Mobbing wird der andere gemieden, ausgegrenzt, es findet eine Kontaktverweigerung statt. Ob passiv oder aktiv: Das Opfer wird insgesamt „asozial“ behandelt (im Sinne von „unsozial“, als Gegenbegriff zu „sozial“) und damit in seiner Würde verletzt.

Forschende haben immer wieder versucht, bestimmte Handlungen als Mobbing-Handlungen zu definieren, um sie damit auch messbar zu machen. Aber es ist schwierig, wirklich alle Mobbinghandlungen aufzuzählen und zu bewerten.

Mobbing folgt bestimmten „Spielregeln“
Richtiges Mobbing oder Bullying folgt aber immer bestimmten „Spielregeln“: Es ist ein Verhaltensmuster – also nicht nur eine einzelne Handlung, sondern das Verhalten passiert immer wieder, systematisch, und wiederholt sich ständig. Dabei handelt es sich immer um negative Handlungen: Es geht nie um sachliche Kritik, sondern die Angriffe richten sich immer gegen die einzelne Person.

Dabei herrschen stets ungleiche Machtverhältnisse: Die eine Person ist der anderen immer in irgendeiner Form unterlegen, z.B. in der Rangfolge (Chef*in, Vorgesetzte*r vs. Untergebene*r), oder durch die Anzahl (alle gegen einen). Entsprechend gibt es in jedem Mobbing-Szenario eben Opfer (der/die Unterlegene), Täter (der/die Überlegene(n)) und als dritte Gruppe: die Zuschauer.

Der Täter/Die Täterin
Der Täter ist der- oder diejenige, der oder die das Ganze anstiftet. Dem Täter geht es bei den Attacken meist gar nicht so sehr darum, dem Opfer wirklich zu schaden, sondern er braucht das Opfer, um die eigene Position in der Gruppe zu stärken. Er instrumentalisiert eine Person, um selbst an Status zu gewinnen.

Dabei hilft ihm oft eine Gruppe von „Assistenten“ oder „Verstärkern“, die ihm folgen, ihn in seinen Aktionen unterstützen. So entsteht dann auch das ungleiche Machtverhältnis – viele gegen einen.

Das Opfer
Prinzipiell kann jede*r Opfer von Mobbing werden. Menschen, die in irgendeiner Weise von den Gruppennormen abweichen, haben aber ein höheres Risiko, gemobbt zu werden. Allerdings nur dann, wenn sie für den Täter eine „leichte Beute“ sind, wenn der Täter bei demjenigen mit weniger Unterstützung aus der Gruppe rechnen muss. Nicht jeder Außenseiter wird also gemobbt, aber die Gemobbten sind oft Außenseiter.

Die Zuschauer
Warum aber greifen die wenigsten ein, wenn sie mitbekommen, dass jemand gemobbt wird? Die berühmteste Theorie zur Erklärung dieses Phänomens ist bekannt als der „Bystander-Effekt“, der „Zuschauer-Effekt“.

Der „Bystander-Effekt“ wurde nach dem Mord an Kitty Genovese zum ersten Mal beschrieben. Kitty war eine junge Frau, die 1964 in New York vor ihrem Wohnhaus vergewaltigt und dann erstochen wurde, während 38 Bewohner von ihren Fenstern aus zugeguckt haben. Es wurde damals berichtet, dass keine einzige Person eingegriffen oder die Polizei gerufen habe. Später gab es daran zwar Zweifel, trotzdem haben nach dem Mord zwei New Yorker Psychologen untersucht, wie es sein kann, dass Zeugen nicht eingreifen.

Ihre These: Je mehr andere, fremde Personen anwesend sind, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass die Einzelperson jemandem in Not zur Hilfe kommt. Denn durch die anderen fühlen wir uns weniger persönlich verantwortlich zu handeln, besonders in unklaren Situationen.

Was kann man tun?
Für die Opfer von Mobbing ist es ganz wichtig, nicht zu verstummen. Man sollte auf jeden Fall mit irgendjemandem darüber reden, mit den Eltern, dem Vertrauenslehrer, Freunden. Im Job vielleicht mit jemandem vom Betriebsrat oder der Gewerkschaft. Außerdem gibt es Psychologen, die auf Mobbing-Opfer spezialisiert sind.

Außerdem kann es helfen, ein Mobbing-Tagebuch zu schreiben. Und sich nach Möglichkeit Zeugen dafür suchen. Denn die Gruppe, das Gruppengefüge, in dem das Mobbing stattfindet, spielt eine entscheidende Rolle. In einer Gruppe, die Schikane uncool findet, ablehnt und diese Haltung klar vertritt, wird sich ein Mobbing-Täter nicht durchsetzen können und keine Anerkennung bekommen. Und die meisten in einer Klasse oder einem Unternehmen – das muss man sich immer wieder klar machen – finden Mobbing eigentlich uncool.

Schreibe einen Kommentar