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Was passiert, wenn der Meeresspiegel steigt?

Immer wieder hört man: Der Meeresspiegel steigt rasant an. Okay, aber wie stark könnte er steigen – und was sind die Folgen, auch hier bei uns?

Wieso steigt der Meeresspiegel überhaupt?
Der wesentliche Treiber ist: der Mensch. Intuitiv denkt man da vor allem an schmelzende Gletscher. Aber es gibt noch weitaus mehr Mechanismen, die durch den Menschen verstärkt werden – und so den Meeresspiegel steigen lassen.
Letztlich lassen sie sich in zwei Kategorien unterteilen:

Faktoren, die dazu führen, dass sich das Wasser, das ohnehin schon in den Ozeanen ist, ausdehnt (sterischer Meeresspiegelanstieg). Da die Ozeane aber ja von Kontinenten umgeben sind, steigt dadurch der Meeresspiegel.
Faktoren, die dazu führen, dass mehr Wasser in die Meere fließt – zum Beispiel, indem Gletscher schmelzen (eustatischer Meeresspiegelanstieg).
Wir gehen die wichtigsten globalen Einflussfaktoren mal ein bisschen detaillierter durch:

1. Das Volumen der Ozeane nimmt zu (sterischer Meeresspiegelanstieg):
Zwei Prozesse führen dazu, dass das Wasservolumen der Ozeane zunimmt – und einer davon spielt für den globalen Meeresspiegelanstieg momentan die Hauptrolle: die thermale Expansion.

Wärmeres Wasser, größeres Volumen (thermale Expansion)
Erwärmt sich Wasser, nimmt seine Dichte ab. Folge: Das Wasservolumen nimmt zu – und lässt den Meeresspiegel ansteigen. Das klingt erst mal nicht dramatisch, denn die Ozeane sind groß. Aber rund 90 Prozent der Wärme, die durch den vom Menschen verursachten Klimawandel zusätzlich entsteht, nehmen die Ozeane auf. Ohne die Ozeane also würde sich die Atmosphäre viel stärker aufheizen. Die Ozeane erwärmen sich je nach geographischer Lage unterschiedlich stark – und verursachen deshalb verschieden hohe Meeresspiegel.
Weniger Salz, mehr Volumen (halosterischer Anstieg)
Halos ist griechisch und bedeutet „Salz“. Je höher der Salzgehalt, desto höher die Dichte des Wassers. Bei Gewässern mit besonders hohen Salzgehalten kann man sich daher im Wasser treiben lassen und dabei in Ruhe Zeitung lesen – wie im Toten Meer, das streng genommen ein Salzsee ist. Nimmt der Salzgehalt in den Ozeanen hingegen ab, verändert sich die Dichte des Wassers. Wir kennen die Folge: Das Wasser dehnt sich aus und der Meeresspiegel steigt an. Ein Beispiel: Gelangen immer mehr grönländische Schmelzwässer in den Nordatlantik, sinkt dadurch der Salzgehalt des Meerwassers. Die Dichte verringert sich – und der Meeresspiegel steigt.
Für den globalen Meeresspiegelanstieg spielt momentan aber nur die thermale Expansion eine Rolle. Mit 50 Prozent leistet sie zurzeit den Hauptbeitrag zum globalen Anstieg des Meeresspiegels. Das sind 1,01 Millimeter pro Jahr.

2. Es kommt mehr Wasser in die Ozeane (eustatischer Anstieg)
Gletscher:
Schmelzende Gletscher außerhalb der Polargebiete leisten einen wesentlichen Beitrag. Würden sie von heute auf morgen abschmelzen, würde das den Meeresspiegel schätzungsweise um weitere 40 Zentimeter ansteigen lassen.
Das Schmelzen der Gletscher am globalen Meeresspiegelanstieg macht einen Anteil von 22 Prozent aus. Das waren (im Zeitraum zwischen 1971 und 2018) 0,44 Millimeter pro Jahr.
Eisschilde:
Es gibt zwei riesige Eisschilde in Grönland und der Antarktis, die aber unterschiedlich stark zum globalen Meeresspiegelanstieg beitragen. Das grönländische Eisschild ist das weitaus kleinere – trägt aber fast doppelt so viel dazu bei, dass der Meeresspiegel steigt (0,25 Millimeter pro Jahr). Beide Eisschilde haben momentan eine so enorme Größe, dass sie das Wasser des Ozeans anziehen. Etwas ähnliches kennt man vom Mond, der im Zusammenspiel mit der Erde für Ebbe und Flut verantwortlich ist. Physikalisch lässt sich das durch die Gravitationskraft erklären – große Massen ziehen sich gegenseitig an. Auf Grönland schmelzen die Eisschilde jetzt aber so schnell, dass die Anziehungskraft der Eismassen auf das Wasser geringer wird. Die Folge: Der regionale Meeresspiegel fällt allmählich ab, in einem Radius von zirka 1000 Kilometern. Das Wasser muss aber ja irgendwo hin – und steigt deshalb in den Tropen und auf der Südhalbkugel. Schmelzen dagegen die Eisschilde in der Antarktis, lässt das den Meeresspiegel auf der Nordhalbkugel steigen. Für uns in Europa wäre es deshalb wesentlich dramatischer, wenn der Eisschild in der Antarktis stärker abschmilzt. Derzeit ist der Westantarktische Eisschild am stärksten gefährdet – was manche Wissenschaftler besorgt. Denn: Wird das Eisschild instabil und kollabiert, würde der Meeresspiegel um rund zwei bis fünf Meter ansteigen. Der Weltklimarat hält diesen Fall zwar für höchst unwahrscheinlich. Komplett auszuschließen sei das aber nicht, betonen die Wissenschaftler:innen. Rechnet man die Gletscher außerhalb der Polargebiete mit ein, sind die schmelzenden Eisflächen seit 2006 der Hauptreiber für die steigenden Meeresspiegels.
Grundwasserleiter und Reservoirs:
Ihr Anteil am Meeresspiegelanstieg ist mit acht Prozent zwar gering, aber dennoch nicht zu vernachlässigen. Immerhin waren das im Zeitraum zwischen 1971 und 2018 0,15 Millimeter pro Jahr.
Vulkane können Anstieg des Meeresspiegels verlangsamen
Soweit also die großen Faktoren, die den Meeresspiegel weltweit beeinflussen. Interessant ist, dass große Vulkanausbrüche den globalen Meeresspiegelanstieg für mehrere Jahrzehnte verlangsamen können. Denn durch vulkanische Aschen in der Atmosphäre wird die Sonnenstrahlung abgeschwächt, wodurch sich die Ozeane nicht so stark aufheizen.

Die Folge: Kühleres Wasser dehnt sich weniger aus – das verlangsamt den Meeresspiegelanstieg. Ein Beispiel ist der Ausbruch des Pinatubo, einem Vulkan der Philippinen. Als er 1991 ausbrach, war das die zweitstärkste Vulkaneruption im 20. Jahrhundert. Sie verringerte den globalen Meeresspiegelanstieg um jährlich 0,02 Millimeter – und das für 25 Jahre.

Regionale Einflussfaktoren
Jetzt kann es aber sein, das regionale Meeresspiegel vom globalen Meeresspiegel abweichen. Das hat verschiedene Ursachen. Einige von ihnen sind:

Strömungssysteme:
Meeresströmungen verteilen große Wassermassen um. Ein Beispiel dafür ist der Golfstrom. Pro Sekunde transportiert er mehr als 100-mal so viel Wasser wie alle Flüsse der Welt zusammen.
Gezeiten:
Das Zusammenspiel der Anziehungskräfte von Sonne und Mond verursachen Ebbe und Flut. Regional verursachen sie damit ständig eine unterschiedliche Höhe des Meeresspiegels.
Windsysteme:
Durch den sogenannten Windschub werden Wassermassen transportiert. Ein gutes Beispiel dafür ist der Passatwind: Die starken Ostwinde bewegen große Wassermassen über den Pazifik, sodass der Meeresspiegel in Südostasien rund einen halben Meter höher liegt als vor der südamerikanischen Westküste.
Vertikale Landbewegung:
In manchen Regionen der Welt hebt sich das Land, während es sich in anderen Regionen senkt. Ein Beispiel dafür ist Skandinavien. Schuld daran ist die letzte Eiszeit. Die gigantischen Eismassen drückten das darunter liegende Land nach „unten“. So wie bei einem Schwamm, auf dem ein schweres Buch liegt. Erst als gegen Ende der letzten Kaltzeit die riesigen Eispanzer zerfallen sind, kam es durch die Druckentlastung zu einem Aufstieg des Landes. Ein Prozess, der bis heute anhält – obwohl das Eis schon lange weg ist. Im Falle des Schwamms ist das ähnlich: Hebt man das Buch langsam an, nimmt der Schwamm erst ganz allmählich wieder die ursprünglich Form an – auch dann noch, wenn das Buch schon längst nicht mehr auf dem Schwamm liegt. Deshalb hebt sich beispielsweise die Ostsee an, während die Nordsee, zum Ausgleich wie bei einer Wippe, etwas absinkt. Das ist eine natürliche Abfolge und hat erst einmal nichts mit dem Klimawandel zu tun.
Artikel Abschnitt: Wie stark ist der Meeresspiegel seit dem letzten Jahrhundert gestiegen?
Wie stark ist der Meeresspiegel seit dem letzten Jahrhundert gestiegen?
„Der globale Meeresspiegel ist seit 1900 so stark angestiegen wie in keinem vorherigen Jahrhundert innerhalb der letzten 3000 Jahre.“
So steht es im 6. Klimasachstandsbericht des Weltklimarats. Konkret: Zwischen 1901 und 2018 ist der globale Meeresspiegel um 20 Zentimeter gestiegen – und er steigt immer schneller.

Das zeigt sich am besten, wenn man drei Zeiträume miteinander vergleicht:

Zwischen 1901 und 1971 stieg der globale Meeresspiegel um „nur“ 1,3 Millimeter pro Jahr.
Im Zeitraum zwischen 1971 und 2006 lag der jährliche Anstieg schon bei 1,9 Millimeter. Seitdem kam es zu einem exponentiellen Anstieg.
Zwischen 2006 und 2018 ist der Meeresspiegel um 3,7 Millimeter pro Jahr gestiegen – das ist fast doppelt, beziehungsweise dreifach so viel wie in den Zeiträumen davor.
Der neue Bericht des Weltklimarats stellt noch einmal deutlich heraus, dass der Meeresspiegelanstieg, der auf Treibhausgasemissionen der Vergangenheit und Zukunft zurückzuführen ist, für Jahrhunderte unumkehrbar ist – wenn nicht sogar für Jahrtausende.

Wie stark könnte der Meeresspiegel bis 2100 steigen – und darüber hinaus?
Das hängt davon ab, wie viele Treibhausgase wir bis dahin weiter ausstoßen. Im schlechteren Fall könnte der globale Meeresspiegel bis 2100 um 110 Zentimeter steigen, bis 2300 sogar um 540 (!) Zentimeter. Sollte sogar der antarktische Eisschild instabil werden und kollabieren, könnte der Meeresspiegel bis 2300 noch deutlich stärker steigen – um 15 Meter. Wissenschaftler:innen halten diesen Fall zwar für sehr unwahrscheinlich, können ihn aber nicht völlig ausschließen.
Klar ist: Der Ozean reagiert nur ganz verzögert auf Veränderungen
Und es gibt zusätzlich noch ein ganz anderes Problem: Ozeane sind riesige Massen, die nur stark verzögert auf klimatische Veränderungen reagieren. Was das bedeutet, erklärt Prof. Dr. Sönke Dangendorf, Klimawissenschaftler an der Old Dominion Universität in Norfolk, USA so: „Der Anstieg, den wir heute und in den kommenden Jahren beobachten, ist auf die Treibhausgasemissionen des letzten Jahrhunderts zurückzuführen. Deshalb wird der Meeresspiegel weiter steigen“.

Und zwar erst einmal unabhängig davon, wie effektiv unsere Klimaschutzmaßnahmen jetzt sind. Die Folge: Selbst, wenn wir es schaffen, bis 2100 den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 oder zwei Grad Celsius einzudämmen, wird der globale Meeresspiegel um weitere 52 oder 63 Zentimeter zunehmen. Und nach 2100, davon geht Dangendorf aus, noch einmal deutlich markanter als bisher.

Nur mal so als Gedankenexperiment:
Würde der komplette grönländische Eisschild abschmelzen, würde der globale Meeresspiegel um 7,4 Meter ansteigen. Käme das komplette Schmelzwasser aus dem Antarktischen Eisschild dazu, würde der globale Meeresspiegel um weitere 58 Meter zunehmen. Dass es zu so einem Szenario kommt, ist sehr unwahrscheinlich. Allerdings reichen mancherorts schon wenige Zentimeter aus, um die Existenzgrundlage der Menschen zu gefährden.

Welche Länder sind am stärksten vom Meeresspiegelanstieg betroffen?
Der Meeresspiegelanstieg trifft sämtliche Küstenregionen der Erde – etwa durch Küstenerosion, Sturmfluten und Überschwemmungen. Länder, die sich keinen Küstenschutz leisten können, sind am stärksten betroffen. Neuste Forschungsergebnisse legen nahe, dass bis Ende des Jahrhunderts weltweit 630 Millionen Menschen vom Meeresspiegelanstieg unmittelbar betroffen sein könnten. Hot Spots sind: Asien, kleine Inselstaaten und Atolle, aber auch reiche Staaten wie die USA. Und: Weltweit sind vor allem solche Großstädte gefährdet, die in den Deltas großer Flüsse gebaut sind.
Asien
Asien trifft es besonders stark, denn der Meeresspiegel steigt hier schneller als im globalen Durchschnitt. Zudem wohnen rund 70 Prozent der Einwohner Asiens entlang der besonders dicht besiedelten Uferstreifen. Das Problem: Ausgelöst durch den Meeresspiegelanstieg kommt es zur Erosion dieser Uferstreifen, was die Existenzgrundlage dieser Menschen gefährdet. Unmittelbar bedroht sind sie vor allem an den Küsten von China, Bangladesch, Indien, Vietnam, Indonesien, Thailand, den Philippinen und Japan. Auch Sturmfluten und Überschwemmungen werden in ihrer Häufigkeit und Intensität zunehmen.

Kleine Inselstaaten und Atolle
Wesentlich schneller wirkt sich der Meeresspiegelanstieg auf kleine Inselstaaten aus. Auch hier geht man davon aus, dass es verstärkt zu Küstenerosion und Sturmfluten kommen wird. Expert:innen erwarten, dass Atolle (oft ringförmige Korallenriffe) ab Mitte des Jahrhunderts unbewohnbar sind, weil Überflutungen und Sturmfluten zunehmen. Diese wirken dann intensiver und zerstörerischer auf die Süßwasservorkommen der Atolle. Und ohne Süßwasser – keine Lebensgrundlage.

Welche Regionen noch von Wasserknappheit bedroht sind, erklären wir hier.

Viele asiatische Staaten haben ein weiteres Problem: Sie können sich den teuren und aufwendigen Küstenschutz gar nicht leisten. Und selbst wenn sie es könnten, verfügen viele kleinere Inselstaaten weder über den nötigen Platz noch über die notwendigen Baumaterialien. Dadurch spitzt sich die Lage zu, denn ihnen bleiben zwei Optionen: Anpassung oder Rückzug. Aufgrund des Platzmangels ist oftmals nur zweiteres möglich. Doch wohin sollen sie sich in Zukunft zurückziehen, wenn ihr Land im Meer versinkt?

Vereinigte Staaten
Sogar sehr reiche Staaten wie die USA laufen langfristig in ein Problem, denn eine durchgehende Deichlinie, welche die Küstenbewohner:innen vor dem ansteigenden Wasser schützen könnte, existiert nicht. Gleichzeitig beobachtet man entlang der US-amerikanischen Küste einen exponentiellen Anstieg von Überflutungsereignissen mit der Konsequenz, dass man sich langfristig aus vielen Küstenbereichen der USA zurückziehen müsste.

Norfolk in West Virginia ist ein nationaler Überflutungs-Hot Spot der USA. „Dass alle zwei bis drei Wochen in Norfolk irgendwo Straßen überflutet werden, ist keine Seltenheit“, sagt Klimawissenschaftler Sönke Dangendorf. „Dies wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass das Land sinkt. In den nächsten Jahrzehnten werden Teile der Stadt nicht mehr bewohnbar sein.“ Aber: Es gibt in den USA auch Städte wie New Orleans, die vollkommen eingedeicht sind und wo der Küstenschutz funktioniert.

Großstädte in Flussdeltas
Städte wie New York, Tokio oder Shanghai haben ein großes Problem – sie sinken ab. Der Grund: Sie sind in Flussdeltas gebaut, deren Böden sich verdichten. Zwei Entwicklungen tragen hauptsächlich dazu bei:

unkontrolliertes Wachstum der Städte
unkontrollierte Entnahme von Rohstoffen (zum Beispiel Öl, Gas oder Kohle)
Aber auch die Bewegung tektonischer Platten kann zum Absinken beitragen. Insgesamt führen diese Prozesse dazu, dass Megastädte in Deltagebieten rund sechs bis 100 Millimeter pro Jahr absinken. Wesentlich schneller, als der Meeresspiegel steigt.

Wie wirkt sich der Meeresspiegelanstieg bei uns aus?
Deutschland
Inklusive aller Inseln hat Norddeutschland eine Küstenlänge von rund 3700 Kilometern. Gebiete von Nord- und Ostsee unterhalb von fünf bis drei Metern über dem Meeresspiegel sind gefährdet. In dieser Risikozone leben rund 3,2 Millionen Menschen. Gegenwärtig sind die meisten deutschen Küstenbereiche durch Deiche sehr gut geschützt. Allerdings bieten sie keine hundertprozentige Sicherheit vor Sturmfluten. Deren Häufigkeit, Dauer und Intensität hat durch den Klimawandel bereits messbar zugenommen.

Eine Bestandsaufnahme unserer Küste
Schon jetzt sieht man an der deutschen Küste, wie stark der Meeresspiegel bereits zugenommen hat.

Husum:
In den letzten 100 Jahren ist hier der Meeresspiegel um 20 Zentimeter gestiegen – derzeit steigt er jedes Jahr um zwei Millimeter.
Helgoland:
Seit 1954 ist der Meeresspiegel um 15 Zentimeter gestiegen – mit mit einer jährlichen Anstiegsrate von 2,6 Millimetern.
Norderney:
13 Zentimeter Anstieg in den letzten 100 Jahren – jährliche Anstiegsrate: 1,3 Millimeter.
Dass der Anstieg regional so unterschiedlich ist, liegt unter anderem an unterschiedlichen Windsystemen und Strömungsverhältnissen. Noch deutlich wird der Unterschied aber, wirft man einen Blick Richtung Ostsee.

Zum Beispiel Kiel: Der Meeresspiegel der Kieler Förde hat in den letzten 50 Jahren um rund sechs Zentimeter zugenommen. Vergleichsweise ist das wenig. Ein Grund dafür ist, dass sich der Meeresboden der Ostsee langsam anhebt. Und trotzdem: Auch in Deutschland könnte der Meeresspiegel auf über einen Meter ansteigen.

Sturmfluten nehmen zu
Sollte der Meeresspiegel in Deutschland bis Ende des Jahrhunderts auf einen Meter ansteigen, wäre kaum mehr Wind notwendig, um Wasserstände auf Sturmflutniveau zu heben. Deshalb verleihen die norddeutschen Deiche ein Gefühl falscher Sicherheit. Für die Leiterin des Norddeutschen Küsten- und Klimabüros Dr. Insa Meinke ist offensichtlich: „Viele Küstenbewohner haben vergessen, dass sie in Sturmflut-gefährdeten Gebieten leben. Die Deiche bieten ihnen besonderen Schutz.“

Für die Wissenschaftlerin ist es deshalb wichtig, diejenigen „hinter dem Deich“ dafür zu sensibilisieren, dass es in Zukunft zu mehr stärkeren und länger anhaltenden Sturmfluten kommen könnte. Ihre Häufigkeit hat bereits zugenommen.

Europa: Venedig wird untergehen
In Europa gehören Gebiete wie Englands Ostküste und der gesamte Küstenstreifen, der sich von Belgien bis nach Dänemark erstreckt, zu den besonders gefährdeten Gebieten. Teilweise wären sie, ohne Küstenschutz, schon heute überflutet, da manche Gebiete unterhalb des Meeresspiegels liegen.

In Norditalien gelten Teile der Po-Ebene und insbesondere die Lagune Venedigs als besonders vom Meeresspiegelanstieg bedroht. Etwas Besonderes hat sich Venedig einfallen lassen. Das Hochwasserschutzsystem MOSE soll die Lagunenstadt ab einem Pegel von 110 Zentimetern an seinen drei Zufahrten schützen – mit 78 beweglichen Fluttoren, die sich im Falle einer Flut aufrichten, um Hochwasser aufzuhalten

Es gibt genügend Gründe, das ganze Projekt sehr kritisch zu sehen – unter anderem, dass es aufgrund von Korruptionsskandalen bis heute nicht fertig ist. Vor allem aber ist es wahrscheinlich, dass die Fluttore Venedig langfristig nicht schützen können. Denn die Stadt ist auf Sedimenten der letzten Kaltzeit gebaut worden, die sich immer stärker verdichten – dadurch sinkt sie jedes Jahr 3,3 Millimeter ab. Noch liegt Venedig 90 Zentimeter über dem regionalen Meeresspiegel, der aber bis 2100 bis zu 82 Zentimeter steigen könnte. Der Untergang der Lagunenstadt ist also eine Frage der Zeit.

Vor welche ungelösten Probleme stellt uns der Meeresspiegelanstieg?
Es bestehen eine Reihe von ungelösten Problemen, die mit dem Meeresspiegelanstieg in Zusammenhang stehen:
1. „Klimamigrant:innen“
Der Meeresspiegelanstieg führt dazu, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Immer öfter fällt in den Medien deshalb der Begriff „Klimaflüchtling“. Damit sind Menschen gemeint, die durch den Klimawandel dazu gezwungen sind, ihre Heimat aufzugeben und in andere Länder zu flüchten.

Das Problem: Offiziell existieren Klimaflüchtlinge nicht. Sie gelten als Migrant:innen und nicht als Flüchtlinge. Juristisch macht das einen Riesenunterschied, denn nur Flüchtlinge genießen den Schutz der Genfer Konvention. Für sie hat das UN-Flüchtlingshilfswerk ein Mandat – für Migrant:innen nicht. Es gibt deshalb genaue Kriterien, die zu erfüllen sind, um als Flüchtling zu gelten. Der Klimawandel zählt nicht dazu.

Chris Melzer, Pressesprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sagt dazu: „Wir sind zwiegespalten, denn wir sehen die klimabedingten Probleme natürlich. Aber was wir mit der Genfer Konvention an der Hand haben, ist einzigartig.“ Er weiß, dass es heutzutage extrem schwierig wäre, wenn nicht sogar unmöglich, etwas Vergleichbares zu den Konventionen zu verabschieden.

„Die Gefahr besteht, dass sich am Ende die ganze Konvention verschlechtert. Vielleicht wäre etwas Klima dann mit drin, möglicherweise aber auf Kosten anderer wichtiger Kernpunkte.“ Denn die Frage wäre, ob die Mitgliedsstaaten zu einer vergleichbaren Konvention bereit wären, sollte die Konvention neu ausgehandelt werden. Die politischen Debatten rund um das Thema Flüchtlinge haben sich international verhärtet.

2. Konflikte, wenn der Raum enger wird:
Es ist zu erwarten, dass sich die Küstenlinien unserer Erde stark verändern. Dadurch ist es denkbar, dass in Zukunft ganze Küstenbereiche unbewohnbar sind. Das zeichnet sich an vielen Orten der Welt bereits ab. Küstenbewohner:innen werden gezwungen sein, ins Landesinnere zu ziehen. Wenn der Raum dadurch enger wird, könnten so Konflikte entstehen.

Wie ungerecht die Klimakrise ist, erklären wir hier.

Resignieren sollte man deswegen nicht, denn eine Reihe von Maßnahmen treten dem Meeresspiegelanstieg entgegen.

Wie kann man den Folgen des Meeresspiegelanstiegs abmildern?
Es gibt verschiedene Optionen, dem Meeresspiegelanstieg zu begegnen: Migration, Anpassung, Küstenschutz und Klimaschutz.
1. Migration:
Einfach wegziehen, um den Folgen des Meeresspiegelanstiegs zu entgehen? Eine Reihe von Gründen sprechen dagegen. Viele Menschen wollen ihre Heimat nicht verlassen, aus emotionalen, sozialen, beruflichen oder finanziellen Motiven. Küstenschutz ist teuer. Das bedeutet in Zukunft vor allem diejenigen zur Migration gezwungen, die entweder nicht reich genug sind, um sich wirksam zu schützen – oder deren Küstenlandschaft zu komplex ist. Ein gutes Beispiel sind die Kleinen Inselstaaten.

2. Anpassung:
Die Liste der Optionen ist sehr lang und fängt auf kommunaler Ebene an. Hier ein paar Beispiele:

Bewohner:innen klar kommunizieren, dass sie in Risikogebieten wohnen
Der Meeresspiegelanstieg erhöht das Sturmflutrisiko. Viele Deutsche fühlen sich durch Deiche geschützt oder wissen gar nicht, dass sie in Sturmflutrisikogebieten leben. Die Kommunen sind gefordert, Risikokarten zu erstellen und besser zu kommunizieren. Küstenbewohner:innen müssen wissen, was auf sie zukommen könnte – um daraufhin abwägen zu können, ob man in so einem Risikogebiet überhaupt baut.
Notfallpläne: Jeder muss wissen, was im Notfall zu tun ist
Was muss im Notfall wie passieren, wer informiert wen – und wie müssen Bürger:innen auf welche Warnungen reagieren? Die Abläufe müssen allen zentralen Stellen bekannt und im Detail klar sein, damit Kommunikationsketten funktionieren. Technisches Hilfswerk und Feuerwehren brauchen spezielle und einsatzbereite Gerätschaften sowie lokale Kenntnisse, um vor Ort schnell handeln zu können.
Umbauen
Wasserrückhaltebecken anlegen, kritische Straßen verlegen, Fahrbahnen erhöhen, Anzahl der Pumpwerke aufstocken
3. Küstenschutz:
Mit Küstenschutz sollen Land und Bewohner:innen vor Überschwemmungen und Sturmfluten geschützt werden. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten.

In Deutschland sind die sogenannten Klimadeiche etwas Besonderes. Das sind Deiche, auf die eine Art „Kappe“ gesetzt werden kann. Dadurch erhöht man den Deich bei Bedarf um 1,5 Meter. Außen sind die Deiche flach und sehr breit, um die Energie aus den Wellen zu nehmen. Sie dienen somit als Vorsorgesystem für die nächsten 80 bis 100 Jahre.

Auch die Natur kann zusätzlich schützen. Beispiele sind Salz- und Seegraswiesen. In bestimmten Ländern dienen Mangrovenwälder und Korallenriffe als natürliche Wellenbrecher, sofern sie intakt sind. Wer den Naturschutz fördert, handelt damit im Eigeninteresse. Denn die Natur schützt unseren Lebensraum.

4. Klimaschutz:
Wir wissen in etwa, wie stark der Meeresspiegel ansteigt – je nachdem, wie stark die globale Durchschnittstemperatur steigt. Deutlicher ausgedrückt: Mit den Treibhausgasemissionen, die wir heute in die Atmosphäre entlassen, beeinflussen wir das Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs für Jahrhunderte, wenn nicht sogar für Jahrtausende. Unser heutiges Handeln und die politischen Entscheidungen jetzt haben also einen direkten Einfluss auf das Leben hunderter Millionen Menschen.

Klimaschutz ist deshalb so wichtig, weil er als einzige Maßnahme vor noch schlimmeren Folgen schützen kann – mit allen anderen Maßnahmen lassen sich die Folgen bloß abzumildern. Im Gegensatz zu den Anpassungsmaßnahmen oder dem Küstenschutz aber zeigen sich die Wirkungen des Klimaschutzes nicht direkt. Klimaschutz fängt bei jedem von uns persönlich an – die großen Hebel aber liegen bei der Politik, vor allem in der Energiepolitik.

Klar ist: Wir müssen jetzt durch konsequenten Klimaschutz versuchen, die Folgen zu begrenzen – und gleichzeitig damit beginnen, uns anzupassen. Alle Schutz- und Anpassungsmaßnahmen müssen optimal zusammenspielen und sich gegenseitig ergänzen. Die Weichen dazu müssen von der Politik gestellt werden.

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