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Wer war ein Starstecher?

Beim Starstich sticht die Nadel am Limbus seitlich der Regenbogenhaut
in den Augapfel, bewegt die scharfe Spitze von der Vorderkammer durch
die Pupille nach hinten oben und zertrennt dort die Zonulafasem. Die Augenlinse
wird in den Glaskörper des Augapfels gedrückt. Bereits in der
Antike wurde so der Graue Star behandelt. Erst gegen 1800 beendeten
moderne Methoden diese Prozedur.
Beim Grauen Star trüben sich die Augenlinsen, sodass Einzelheiten
nicht mehr klar erkannt werden. Das reicht von einer leichten Sehschwäche
bis zu einem weitgehenden Verlust des Sehvermögens. Es handelt sich vor
allem um eine Altersschwäche, die ab dem 50. Lebensjahr zunimmt. Über
70-jährige leiden darunter zu 20 %, von den über 74-jährigen jeder Zweite.
Noch heute ist diese Erkrankung in armen Ländern die häufigste Ursache
für Blindheit. In der modernen Medizin wird die trübe Linse in einer Operation
entfernt und durch eine künstliche ersetzt.
Im Mittelalter litten viele Menschen unter dem Grauen Star. Ursachen
für diese Erkrankung sind unter anderem Schäden durch UV-Strahlen und
Mangelernährung sowie Entzündungen des Auges. Diesen Faktoren war
im Mittelalter vor allem die Landbevölkerung in hohem Ausmaß ausgesetzt.

Was bewirkte der Starstich?
Dieser Stich hatte tatsächlich eine Wirkung. Beim Grauen Star bleibt die
Netzhaut intakt, das heißt, die Fähigkeit des Auges, Lichtinformationen zu
verarbeiten, ist erhalten. War die Linsentrübung jetzt so weit fortgeschritten,
dass die Betroffenen nahezu erblindeten, stieß der Stich die eingetrübte Linse
auf den Boden des Augapfels. Es konnte wieder Licht auf die Netzhaut fallen,
und die Betroffenen konnten wieder ein wenig sehen. Allerdings fehlte die
Brechkraft einer gesunden Linse, und die Patienten blieben stark übersichtig.
Zudem war das Verfahren keinesfalls nachhaltig. Eine in den Augapfel
gedrückte Linse konnte wieder aufsteigen, und die Behandlung musste dann
wiederholt werden. Georg Friedrich Händel zum Beispiel erblindete von
neuem, nachdem der Starstecher John Taylor ihm die trübe Linse in den
Augapfel gedrückt hatte.
Verletzungen des Auges ließen sich selbst bei professionellem Umgang
mit der Nadel nicht ausschließen. Schwere Entzündungen, Erblindung und
sogar der Tod gehörten zu den nicht seltenen Nebenwirkungen.
Auch weil der Eingriff derart riskant war, blieb er oft den reisenden Starstechern
vorbehalten. Diese hatten den Vorteil, dass sie keinen wütenden
Patienten ausgesetzt waren, wenn die genannten unerwünschten Effekte
eintraten. Auch hier bedeutet das wiederum nicht per se, dass die fahrenden
Stecher unseriös sein mussten. Johann Andreas Eisenbarth war zum Beispiel
dafür bekannt, den Stich kunstfertig auszuführen.
Über Jahrtausende hinweg blieb das Starstechen die einzige Möglichkeit,
eine solch getrübte Linse zu behandeln. Erst im 18. Jh. verdrängte die Extraktion
der Linse den Starstich. Wissenschaftlich ist heute belegt, dass der tradierte
Starstich langfristig kaum oder keine Vorteile für die Patienten bringt und
zudem mit häufigen und gefährlichen Komplikationen verbunden ist.

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