Templer - Blog

Der Fake-„Staatsstreich“ – eine billige politische Seifenoper?

Wenn Nachrichten mit hoher Sprengkraft ganz frisch reinkommen, ist man als Journalist immer besonders gefordert: Da gegen den Strom bzw. Mainstream zu schwimmen, oder vorschnell Schlüsse zu ziehen, kann massiv ins Auge gehen. Vor kurzem etwa war das der Fall, als eine ukrainische Luftabwehrrakete als Irrläufer in Polen einschlug – und sich viele Medien bereits festgelegt hatten, dass es eine russische Rakete war. Besonders weit hatte sich die „Bild“ aus dem Fenster gelehnt. Ich war Gott sei Dank vorsichtig und konnte meinen Artikel, den ich kurz nach der ersten Meldung veröffentlicht hatte, unverändert stehen lassen.

Als gestern die Nachricht von dem laut Innenministerin Nancy Faeser „größten Anti-Terroreinsatz unserer Geschichte“ und einem „verhinderten Staatsstreich“ die Schlagzeilen beherrschte, war dies nicht weniger heikel. Wobei schon bemerkenswert ist, dass die Innenministerin offenbar unfähig ist, um einen Staatsstreich zu definieren. Und die meisten Journalisten ebenfalls. Ein Staatsstreich ist laut Duden ein „gewaltsamer Umsturz durch etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen“. Und etablierte Träger hoher staatlicher Funktionen waren die gestern Festgenommenen definitiv nicht. Womit schon die erste Lüge entlarvt wäre.

Mücke als Elefant
Mein Bauchgefühl sagte mir sofort: Da stimmt etwas nicht. Und mit aller gebotenen Vorsicht habe ich die Nachrichtenlage auseinandergenommen. Und einen klaren Kontrapunkt gesetzt gegen das Narrativ, das allgegenwärtig war. Nun stellt sich heraus: Das war goldrichtig. Denn je mehr Details abseits des Mainstreams über die bundesweite Aktion mit mehr als 3.000 Polizisten in mehr als 130 Objekten ans Licht kommen, umso mehr wird klar: Hier wird eine Mücke zum Elefanten gemacht, und das Vorgehen von Behörden und Politik ist obskur. Und der eigentliche Skandal.

Als Kronzeugen dafür kann ich keinen anderen als den langjährigen Innenminister Otto Schily bemühen, der in seiner wechselreichen Biographie sowohl bei den „Grünen“ als auch bei der SPD war. Und damit jeglicher Rot-Grün-Allergie unverdächtig ist. Sein Kommentar zu den Reichsbürger-Razzien, wie ihn die „Welt“ in einer Überschrift zusammenfasst: „Eher skurrile Spinner-Truppe, keine reale Bedrohung für Staat und Gesellschaft“.

Gefährliche Verwirrte?
Eines vorweg: Dass sich die Gruppe aus dem Reichsbürger-Milieu um den in Thüringen bekannten, 71-jährigen Heinrich XIII. Prinz Reuss ebenso absurden wie unappetitlichen Umsturz-Plänen hingegeben haben mag, mag sein. So sehr es sich dabei einerseits um Verbal-Radikalität handeln kann – dass 3.000 Beamte nur eine Schusswaffe fanden, spricht dafür – so wenig ist ausgeschlossen, dass es zu einer Radikalisierung und realer Gewalt hätte kommen können. Beispiele von Verwirrten, die viel Schaden anrichten, gibt es leider genug.

Andererseits ist bekannt, dass die Behörden offenbar schon lange vor der Razzia Journalisten einweihten, ja diese sogar mit vor Ort genommen haben. Dies ist in meinen Augen geradezu kriminell. Wenn die vermeintlichen Verschwörer wirklich so gefährlich waren, wie uns Medien und Politik jetzt einreden wollen, wäre es zudem gemeingefährlich – denn jeder Mitwisser erhöht die Gefahr, dass die Verdächtigen gewarnt werden. Spätestens hier wird klar, dass es sich bei der Medien-Inszenierung der Razzia um eine Operette handelt. Eine höchst willkommene. Lenkt sie doch wunderbar von den gigantischen Problemen in unserem Land ab. Inklusive der Tötung einer 14-jährigen Schülerin durch einen Asylbewerber in Illerkichberg. Gab es bei der auch Sondersendungen in ARD oder ZDF?

Zur Not nachhelfen
Sozialismus lebt seit mehr als 100 Jahren von der Dramatisierung und Inszenierung der „Gefahr von Rechts“. Die alte Leier wird mit immer neuen Namen neu gespielt. Und natürlich findet man auf Wunsch immer ein paar Verwirrte oder Extreme, die ideal zu diesem Drehbuch passen. In diesem Fall offenbar einen Prinzen und eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete. Im Zweifelsfall kann man auch nachhelfen. Auch bei uns, wie wir wissen, seit bekannt wurde, dass etwa der Verfassungsschutz rechtsextreme Fake-Accounts in sozialen Medien betreibt (siehe hier).

Die eigentliche Nachricht dieses Mittwochs ist also nicht, dass wir eine Handvoll irrlichternder Verwirrter haben, die in ihren Phantasien den Umsturz planen und es auf sage und schreibe eine Waffe bringen (wobei wir hier noch zu berücksichtigen haben, dass der Hauptverdächtige Jäger ist). Dass einige von diesen Verwirrten offenbar bei Polizei und Bundeswehr anzutreffen sind, ist zwar in der Tat beunruhigend – aber auch leider nichts Neues.

Was dagegen die wichtigste Erkenntnis dieses Mittwochs ist: Wie stramm Journalisten und Politiker Männchen machen und selbst die absurdeste Inszenierung hinaus posaunen. Zu dumm oder zu feige, auch nur in den Duden zu schauen, und wenigstens die offensichtliche Lüge zu korrigieren – die vom Staatsstreich. Stattdessen gab es mediales Feuer aus allen Propaganda-Rohren. ARD und ZDF brachten zur besten Sendezeit, gleich nach den Hauptnachrichten, Sondersendungen.

Dummheit oder böse Absicht?
Nicht fähig oder willig, im Duden nachzusehen, und in Schule und Studium offenbar unaufmerksam, war etwa Jasper von Altenbockum, bei der „Frankfurter Allgemeinen“ (FAZ) verantwortlich für die Innenpolitik. Er sieht – Zitat – „einen Staatsstreich, wie er im Buche steht“. Ich sehe darin Dummheit oder Verlogenheit bzw. Propaganda, wie sie im Buche steht. Altenbockum, strammer Merkelianer und oft mehr einem Regierungssprecher als einem Journalisten ähnelnd, apportiert brav dem Regierungs-Narrativ: „Den deutschen Sicherheitsbehörden ist ein bedeutender Schlag gegen die Urheber dieser abenteuerlichen Umsturzpläne gelungen. Verfassungsschutz, Generalbundesanwalt, Bundeskriminalamt, Militärischer Abschirmdienst und die Polizei sind für diesen Erfolg zu beglückwünschen. Sie waren offenbar seit Monaten im Bilde. Das ist beruhigend.“

Weiter hat Altenbockum entweder zu tief ins Glas geschaut – oder betreibt gezielte Desinformation: „Gestützt auf ‚Heimatschutzverbände‘, auf das Militär, auf Mord und Gewalt, gekrönt durch einen Sturm auf den Bundestag sollte eine neue Ordnung in Deutschland hergestellt werden. Es ist gespenstisch und erschreckend, wie weit diese Pläne gediehen waren.“ Das klingt wie abgeschrieben von Scholz-Sprecher Hebestreit, der sagte, die Planungen eines bewaffneten Überfalls auf den Bundestag seien „brandgefährlich“. Mit einer Schusswaffe, mehreren Schreckschusswaffen, einigen Tausend Euro und Prepper-, also Lebensmittelvorräten? Echt? Für was halten solche Politiker und Journalisten die Menschen in unserem Land?

Angst, die nächste zu sein?
Ganz ehrlich – ich finde solchen Journalismus gefährlicher für unsere Demokratie als eine Handvoll Verwirrter. Vor allem, weil er inzwischen die Regel ist und nicht mehr die Ausnahme. Und weil es sich in der Politik genauso verhält. Weil von allen Parteien brav apportiert wird. Und selbst die AfD-Führung brav kuscht. Alice Weidel etwa erklärte: „Wir haben vollstes Vertrauen in die beteiligten Behörden“. Ist sie wirklich derart naiv und blauäugig? Oder hat sie Angst, bei Widerrede selbst als nächste eingesperrt zu werden?

Noch einmal, für die mitlesenden Gesinnungswärter von Rotgrün, die ohnehin sicher schon am Hyperventilieren sind und deshalb meiner Logik vielleicht nicht ganz stringent folgen können: Umsturz- und Gewalt-Fantasien darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Und es ist richtig, dass Ermittler sich ihrer annehmen. Mit aller Strenge des Rechtsstaats. Aber man sollte das Ganze nicht zu einem PR-Coup ausarten lassen, zu einer Operetten-Aktion. Bei der die politische Motivation allzu offensichtlich wird – Ablenkung und Rechtfertigung von noch schärferem Vorgehen gegen Andersdenkende. Ein Zufall, dass bei Twitter prompt der Hashtag „#AfDzerstoertDeutschland“ zum Trend wurde? Und Nancy Faeser umgehend die Umkehrung der Beweislast fordert bei Staatsdienern mit „Haltungs-Problemen“?

Mir kommt all das sehr bekannt vor. Weil ich es in Moskau immer wieder erlebt habe. Und es offenbar in der DNA von sozialistischen und postsozialistischen Systemen liegt. In denen sowohl Wladimir Putin als auch Angela Merkel und andere Vertreter des „neuen Deutschlands“ politisch sozialisiert wurden.

Tipps für Journalisten
Ebenso erschreckend wie der Gleichklang und der gemeinsame Stechschritt von Medien und Politik ist die offensichtliche Bereitschaft der Behörden, sich instrumentalisieren zu lassen. Jahrzehntelang betonte man bei jeder Gelegenheit gebetsmühlenartig, seine Lektion aus der Geschichte gelernt zu haben. Und bei der ersten, verhältnismäßig harmlosen Prüfung ist wieder vorauseilender Gehorsam angesagt. Es wird wieder stramm mitmarschiert mit dem Zeitgeist.

Anders als bei normalen Tatverdächtigen, selbst bei schwersten Verbrechen, werden die „Reichsbürger“ regelrecht vorgeführt. Beamte geben Journalisten „Tipps“, lassen sie die Festnahmen filmen, sie werden ohne Verpixelung gezeigt, ihr voller Name genannt. Gleichbehandlung? Rechtsstaatlichkeit? Offenbar ist sie nur noch für „normale“ Verbrecher und Menschen mit der richtigen „Haltung“ garantiert. (Reitschuster)

Schreibe einen Kommentar