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Warum ist Fracking eigentlich so umstritten?

Durch Fracking könnte man neue Gasvorkommen nutzen – aber die Technik ist in Deutschland verboten. Wieso eigentlich?

Durch Fracking könnte man neue Gasvorkommen nutzen – aber die Technik ist in Deutschland verboten. Wieso eigentlich?

1. Wirkung auf Wasser und Grundwasser
Der Wasserbedarf für das hydraulische Fracking kann laut UBA mehrere Tausend Kubikmeter pro Bohrung betragen. Hinzu kommt, dass beim Fracken unterschiedliche Chemikalien zum Einsatz kommen. Welche Folgen das für das Grundwasser haben kann, ist noch nicht eindeutig geklärt:

Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA kommt zu dem Ergebnis, dass es durch den Einsatz der Fracking-Technologie zu Gefährdungen des Grundwassers kommen kann. Was genau passiert und wo die generellen Schwachstellen sind, sei noch nicht abschließend untersucht. Daher betont die EPA auch, dass bisher keine Aussagen zur generellen Trinkwassergefährdung möglich seien.

Einige Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem extrem tiefe Grundwasserschichten verunreinigt würden. Das seien dann aber Schichten, die etwa wegen ihres hohen Salzgehaltes eh nichts mit der Wasserversorgung der Menschen zu tun haben. Da die Grundwasserschichten, die wir nutzen, wesentlich höher liegen, bestehe demnach keine Gefahr für die Trinkwasserversorgung.

Allerdings gibt es auch Hinweise, dass Fracking Einfluss auf die Qualität des Oberflächenwassers haben könnte. Bei einer Untersuchung von Wassereinzugsgebieten rund um Schiefergasförderstätten in den USA haben Forschende erhöhte Salzkonzentrationen in Oberflächengewässern festgestellt. Die Werte lagen zwar im Rahmen dessen, was die US-Umweltschutzbehörde als unbedenklich ansieht. Dennoch warnen die Forschenden, dass es eine bessere Datengrundlage bräuchte, um die Auswirkungen der unkonventionellen Öl- und Gasförderung vollständig zu verstehen.

Prof. Charlotte Krawczyk, Mitglied im deutschen Expert:innenrat Fracking, und Bernd Kirschbaum vom UBA halten es für unwahrscheinlich, dass die Fracking-Maßnahme an sich die Qualität des Oberflächenwassers beeinträchtigt. Aber: Schädliche Stoffe können in die Umwelt (und damit ins Trinkwasser) gelangen, wenn an der Bohrstelle, beim Transport oder der Lagerung der Fracking-Fluide unsachgemäß gearbeitet werde. So beschreibt es auch die deutsche Fracking-Expertenkommission in einer Studie.

Und: Auch wenn es an der Bohrstelle zu Leckagen käme, könne das Oberflächenwasser verunreinigt werden, betonen Forschende. Solche Unfälle könne man „nie zu 100 Prozent ausschließen“, sagt auch Charlotte Krawczyk. Es müsse daher immer darum gehen, „das Risiko zu minimieren“.

Bilden sich neue toxische Verbindungen?
In einer Studie haben Forschende den Flowback untersucht – also die Flüssigkeit, die aus den tiefen Schichten zurück an die Erdoberfläche gepumpt wird (auch Lagerstättenwasser genannt). Sie gilt als potenziell besonders gefährlich.

Dabei haben sie festgestellt, dass darin nicht nur Rückstände der Ursprungschemikalien vorhanden waren – wie Arsen, Strontium, Quecksilber, Barium und radioaktive Isotope, deren Grenzwerte allerdings nicht überschritten wurden. Sondern es hatten sich auch neue chemische Verbindungen gebildet, die in Zusammensetzung und Wirkung noch nicht bekannt sind. Das heißt: Die Verbindungen und Substanzen, die sich mehrere Kilometer unter der Erdoberfläche bilden, könnten toxischer sein als die einzelnen Ausgangsstoffe.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, was mit diesem (kontaminierten) Flowback geschehen würde. Wo werden diese Substanzen gelagert oder gereinigt? In den USA geschieht das oft in oberirdischen Becken. Dies wäre wegen strengerer Gesetze in Deutschland nicht möglich. Zudem fehlt in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland auch der Platz.

Im Hinterkopf behalten müsse man allerdings, dass „auch bei der konventionellen Erdgasförderung dieses Lagerstättenwasser anfällt“, sagt Bernd Kirschbaum vom UBA. Die Entsorgung dieses Wassers stufen Toxikolog:innen aber als „ernst zu nehmendes Risiko der Fracking-Technologie“ ein.

Grundsätzlich gilt: Viele der Vorgänge im tiefen Untergrund laufen sehr langsam ab. Daher ist es auch schwierig, Langzeitwirkungen einzuordnen und abzuschätzen. „Wir haben ja nicht immer im Blick, wie lange es dauert, bis bestimmte Folgen auftreten“, betont Charlotte Krawczyk.

2. Mögliche Folgen für die Gesundheit
Kritiker:innen der Schiefergasförderung betonen, dass mögliche Schäden für die Gesundheit der Menschen, die in der Nähe der Förderstätten leben, nicht ausgeschlossen werden können.

Eine Beratungskommission der Gesellschaft für Toxikologie hat internationale Studien dazu ausgewertet und kommt – grob gesagt – zu dem Ergebnis, dass sich bisher nicht sagen lässt, wie problematisch das Fracking für die Gesundheit der Menschen sein kann. Woraus ergibt sich diese Unsicherheit?

Beim Schiefergas-Fracking können mehr als 1100 Chemikalien zum Einsatz kommen. Die verwendeten Stoffe werden teilweise als krebserregend eingestuft, einige können das Erbgut verändern oder die Fruchtbarkeit beeinträchtigen – wenn etwa das Grund- oder Trinkwasser mit diesen Chemikalien verunreinigt würde. Allerdings gibt es keine zuverlässigen Langzeitstudien, die deutliche Ursache-Wirkungs-Beziehungen nachweisen können.

In epidemiologischen Studien wurden zwar mehr Geburtsdefekte, mehr respiratorische und neurologische Erkrankungen und mehr Krebs im Kindesalter bei Menschen beschrieben, die in der Nähe von Fracking-Anlagen leben. Allerdings konnte bisher, so Toxikolog:innen, kein ursächlicher Zusammenhang zur Schiefergasgewinnung festgestellt werden.

Das könnte auch daran liegen, so die Forschenden, dass bei einigen Studien lediglich die Entfernung zur nächsten Förderanlage zugrunde gelegt wurde und nicht die Belastung oder Schadstoffkonzentration in der Atemluft oder im Trinkwasser.

Das US-amerikanische National Institute of Environmental Health Sciences (NIH) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es zwar Hinweise auf verschiedene gesundheitliche Probleme gebe. Allerdings gibt es bisher nur wenige Studien, die die Auswirkungen auf den Menschen systematisch untersuchen. Einige solcher Studien sind derzeit in den USA in Arbeit.

3. Kann Fracking Erdbeben auslösen?
Ein Argument, das gegen das Fracking angeführt wird, ist die Gefahr von Erdbeben. Auch hier ist die Studienlage nicht eindeutig. Im US-Bundesstaat Oklahoma sei es nach dem Fracking zu Erdbeben, zu sogenannter induzierter Seismizität, gekommen. Doch Bernd Kirschbaum vom UBA betont: „Das lag nicht am Fracking selbst, sondern wurde durch das Verpressen des Lagerstättenwassers in den Untergrund ausgelöst.“

In Großbritannien habe es allerdings Erdbeben durch Fracking gegeben, daher wurde dort das Verfahren vor einigen Jahren gestoppt. „Anders als bei den Schiefergaslagerstätten in den USA ist Deutschland deutlich dichter besiedelt und es könnte an vielen Stellen sensible Infrastruktur betroffen sein“, gibt Charlotte Krawczyk zu bedenken. „Das müsste man bei der Planung und Abwägung berücksichtigen.“

4. Umweltbilanz von Schiefergas
Grundsätzlich entsteht bei der Verbrennung von Erdgas (auch durch das, was aus unkonventionellen Lagerstätten gewonnen wird) weniger CO2 als bei der Verbrennung von Kohle oder Erdöl. Damit ist Erdgas, dessen Hauptbestandteil Methan ist, grundsätzlich weniger klimaschädlich.

Allerdings kommt es generell im Zusammenhang mit der Gasförderung – bei konventioneller und unkonventioneller – immer wieder zu Leckagen: An den Bohrungen und Gasfeldern selbst, bei der Verarbeitung, beim Transport. Das Problem: Es entweicht „pures“ Methan. Und das ist deutlich klimaschädlicher als Kohlendioxid.

Ab einer bestimmten Leckagerate ist das Erdgas nach Berechnungen US-amerikanischer Forschender klimaschädlicher als Kohle und Erdöl. Der vermeintliche klimatische Vorteil der Erdgasverfeuerung wird dann dadurch aufgehoben, dass durch die Förderung mehr reines Methan in die Atmosphäre entweicht. Möglicherweise lohnt es sich auch mit Blick auf die Klimabilanz dann nicht, die Schiefergasförderung weiter auszudehnen.

Wie viel Methan genau durch das Fracking in die Atmosphäre entweicht, wissen Forschende nicht. Messungen zeigen allerdings, dass die Methankonzentration deutlich zugenommen hat, seit vor allem in den USA mehr Erdgas durch Fracking gewonnen wird. Inzwischen gilt als sicher, dass die steigende Methankonzentration auch mit der Schiefergasförderung in Zusammenhang steht.

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Gas gilt als “Brückentechnologie“
Bei allen möglichen Nachteilen der Technologie: Noch sind wir abhängig von Gas. Wäre es da nicht sinnvoll, zumindest heimische Quellen zu nutzen und auf die Schiefergasgewinnung zu setzen – um Gas als Brückentechnologie zu nutzen?
Dazu müssten zunächst Probebohrungen durchgeführt werden. Zwar sei „die Bohrtechnologie bekannt“, sagt Charlotte Krawczyk. „Denn auch in konventionellen Erdgaslagerstätten wird gefrackt. Aber in unkonventionellen Lagen haben wir keine Erfahrungswerte.“

Hinzu kommt: Es bräuchte Übersichtsmessungen, damit man das gesamte Verfahren genau überwachen kann, so Krawczyk. „Wichtig wäre ein grundlegendes Monitoring. Damit man weiß, wie es vorher und nachher war, um Ursache und mögliche Wirkung herauszuarbeiten.“

Nicht realistisch vor Ende des Jahrzehnts
Zu diesem Schluss sei auch die „Expertenkommission Fracking“ in ihrem letzten Gutachten gekommen. Bis dann eine kommerzielle Förderung möglich wäre, würde einige Zeit vergehen: „Genehmigungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfung, Bürgerbeteiligung, ein Baseline-Monitoring. Realistisch wäre das nicht vor Ende des Jahrzehnts“, meint UBA-Experte Bernd Kirschbaum.

Mit diesem langen Vorlauf wäre das Schiefergas aber auch keine wirkliche Brückentechnologie mehr. Bis zum Ende des Jahrzehnts müssen sowohl die gesamte Wirtschaft als auch die Energieversorgung auf dem Weg zur Klimaneutralität sein, sodass sich die aufwendige Schiefergasförderung wohl kaum rentieren würde.

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Und jetzt?
Eine Möglichkeit: vorhandene Lagerstätten besser ausnutzen
Ja, wir müssen auf erneuerbare Energien setzen. Mit Wind und Sonne produzieren wir aber zunächst Strom. Um daraus klimafreundliches Gas zu erzeugen, brauchen wir viel grünen Strom.
Eine Möglichkeit: Bis wir den haben, könnten die konventionellen Lagerstätten in Deutschland noch stärker genutzt werden, schlägt Charlotte Krawczyk vor. „Man könnte unter Umständen länger fördern, Kapazitäten erhöhen, Bohrungen verlängern.“

Das treffe zum Beispiel auf Förderstätten zu, bei denen solche Maßnahmen bisher nicht wirtschaftlich waren. Aber: „Das müsste man erst mal prüfen, das ist noch sehr spekulativ“, dämpft sie vorschnelle Hoffnungen.

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