Gedanken am 10. Oktober
Ein Aspekt der Kultivierung der Tugend ist, wohlwollende
Güte zum Hauptmotiv jeder Handlung zu machen. Zu diesem
Zweck müssen wir jedoch Güte oder wahre Freundlichkeit
von »Rechtmacherei« unterscheiden können. Solange
wir nicht die Bescheidenheit und Selbstachtung entwickelt
haben, die aus echter innerer Sicherheit erwachsen, laufen
wir leicht Gefahr, Schuldgefühle zu verspüren, wenn es uns
nicht gelingt, es den Leuten »recht zu machen« – und zwar
selbst dann, wenn dieses Rechtmachen in irgendeiner Weise
schädlich oder falsch wäre. Wohlwollende Güte ist die Haltung,
die eine seelisch gesunde Mutter gegenüber ihrem
Kind einnimmt und die aus ihrem uneigennützigen Wunsch
erwächst, dessen bestes Potential zu fördern. Solch eine
Mutter setzt natürlich Grenzen und spricht durchaus auch
mal ein Machtwort, aber stets mit der größten Achtung und
Liebe.
Tempelarbeit:
Verweile für ein paar Minuten in der Shamatha-Vipassana-Meditation
oder im Gebet der Sammlung. Jetzt schau auf deine
gestrigen Interaktionen zurück, angefangen bei der letzten des
Tages bis hin zu der allerersten morgendlichen Begegnung. Hast
du dich gelegentlich »rechtmacherisch« benommen? Führe dir die
ganze Schädlichkeit solchen Verhaltens vor Augen. Hat es Situationen
gegeben, in denen du das Potential eines anderen Menschen
mit wohlwollender Güte gefördert hast? Nimm dir fest vor, dich
heute in wohlwollender Güte zu üben und dich aller »Rechtmacherei
« zu enthalten.