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Paulus und das Verständnis von Heiligkeit: Sind wir alle heilig?

In den Schriften des Neuen Testaments finden sich zahlreiche Passagen, die tiefgreifende theologische Konzepte und Anweisungen für das Leben der frühen Christengemeinden bieten. Eine dieser Passagen findet sich im Römerbrief, speziell in den Versen 16,1-2, wo Paulus über Phöbe spricht und die Gemeinde auffordert: “Nehmt sie im Namen des Herrn auf, wie es sich für Heilige gehört. Und gebt ihr alle Unterstützung.” Diese Aufforderung wirft eine interessante Frage auf: Bedeutet dies, dass nach Paulus’ Verständnis alle Gläubigen als heilig anzusehen sind, unabhängig von einer offiziellen Heiligsprechung durch die Kirche?

Das biblische Verständnis von Heiligkeit
Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, das biblische Verständnis von Heiligkeit zu betrachten. Im Kontext der Bibel bezieht sich Heiligkeit auf etwas oder jemanden, der Gott geweiht ist, der in einer besonderen Beziehung zu Gott steht. Im Alten Testament wird das Volk Israel als “heiliges Volk” bezeichnet, weil es in einem Bund mit Gott steht. Im Neuen Testament wird der Begriff der Heiligkeit auf die Anhänger Jesu ausgeweitet, die durch ihren Glauben und ihre Taufe in eine besondere Beziehung zu Gott treten.

Paulus’ Sicht auf die Gemeinde
Paulus verwendet in seinen Briefen oft den Begriff “Heilige”, um sich auf die Mitglieder der christlichen Gemeinden zu beziehen. Dies zeigt, dass er alle Gläubigen als heilig ansieht, nicht aufgrund ihrer eigenen Verdienste, sondern aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Christus und ihrer Berufung durch Gott. Die Heiligkeit ist somit weniger eine Frage der moralischen Perfektion oder der Wunderwirkung, wie sie später in den Heiligsprechungsprozessen der Kirche betrachtet wird, sondern vielmehr eine Frage der Identität als Gottes Volk.

Heiligkeit und Heiligsprechung
Die formelle Heiligsprechung durch den Papst, wie wir sie heute kennen, entwickelte sich erst im Laufe der Jahrhunderte nach Paulus’ Zeit. Dieses Verfahren dient dazu, bestimmte Christen als Vorbilder des Glaubens und der Tugend anzuerkennen und ihre besondere Fürsprache im Himmel hervorzuheben. Während die Heiligsprechung eine wichtige Rolle in der katholischen Spiritualität spielt, unterscheidet sie sich von dem grundlegenden biblischen Verständnis von Heiligkeit als der Berufung aller Gläubigen.

Fazit
Die Aufforderung des Paulus, Phöbe “im Namen des Herrn aufzunehmen, wie es sich für Heilige gehört”, und die allgemeine Verwendung des Begriffs “Heilige” in seinen Briefen, legt nahe, dass im Neuen Testament ein inklusives Verständnis von Heiligkeit vorherrscht. Alle, die an Christus glauben und ihm nachfolgen, sind demnach heilig, nicht weil sie von Menschen dazu erklärt werden, sondern weil sie durch ihren Glauben und ihre Taufe in eine lebendige Beziehung zu Gott treten. Dieses Verständnis von Heiligkeit lädt jeden Gläubigen ein, sein Leben als Antwort auf diese heilige Berufung zu gestalten und erinnert uns daran, dass die Heiligkeit nicht ein exklusiver Zustand einiger weniger ist, sondern eine universelle Berufung aller Mitglieder der Gemeinschaft der Gläubigen.

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