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Wie wird der Herbst mit Omikron?

Bisher gingen die Coronazahlen in den warmen Monaten zurück, aber dieses Jahr steckten wir mitten in einer Sommerwelle. Was heißt das für den Herbst?

Wie wird sich die Pandemie im Herbst entwickeln?
Was im Herbst auf uns zukommt, kann niemand genau vorhersagen. Das hängt vor allem davon ab, welche neuen Varianten des Coronavirus auftreten. Denkbar sind verschiedene Szenarien.
Der Expert:innenrat der Bundesregierung hat in seiner 11. Stellungnahme Anfang Juni drei Möglichkeiten skizziert – Szenarien also, die nicht als Prognose zu verstehen sind.

1. Günstigstes Szenario
In diesem Beispiel würde eine neue Virusvariante auftreten, die im Vergleich zu anderen Omikron-Stämmen weniger krank macht.

Damit sie zur dominanten Variante wird, müsste sie noch ansteckender als bisherige Varianten sein und sie müsste dem Immunsystem noch besser entkommen können.

Weitere Eigenschaften dieser Variante:

Ältere haben keine oder kaum noch schwere Verläufe.
Wer geimpft oder genesen ist, merkt kaum noch etwas von der Infektion.
Welche Konsequenzen hätte dieses Szenario?

Stark einschränkende Maßnahmen wären gar nicht mehr oder nur für Risikopersonen notwendig.
Da keine Kontaktbeschränkungen notwendig wären, könnte es im Winterhalbjahr zu höheren Infektionsinzidenzen kommen. Durch den Wegfall der Kontaktbeschränkungen hätten andere Erreger wie Influenzaviren leichteres Spiel. Es könnte etwa zu einer stärkeren Grippewelle kommen.
„Insbesondere bei jüngeren Kindern entsteht ein Aufholeffekt in der Infektionsimmunisierung„, prognostizieren die Expert:innen in diesem Szenario. Das Gesundheitssystem könnte daher im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin stark ausgelastet werden.
Arbeitsausfälle könnten vor allem dadurch entstehen, dass Eltern wegen der Betreuung ihrer erkrankten Kinder oder eigener Infektionen häufiger abwesend wären.
All das könnte durchs Tragen von Masken entschärft werden.
2. Basisszenario
In diesem Beispiel ändert sich nicht viel: Die neue Variante oder die neuen Varianten würden ähnlich krank machen wie die aktuelle Omikron-Variante BA.5.

Welche Konsequenzen hätte dieses Szenario?
Über die gesamten Wintermonate würden sich Infektionen häufen.
Die Intensivstationen wären voraussichtlich nicht überlastet.
Milde Verläufe sind jedoch nicht harmlos und können mit starken Symptomen einhergehen. Es käme wahrscheinlich zu vielen Arbeitsausfällen in der berufstätigen Bevölkerung.
Ein Teil der Infizierten würde Long Covid entwickeln.
Dies könnte Masken und Abstand in Innenräumen notwendig machen. Regional könnte es sinnvoll sein, beispielsweise Obergrenzen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen einzuführen.
Durch eine Maskenpflicht in Innenräumen wäre der Aufholeffekt anderer Atemwegserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen weniger ausgeprägt.
3. Ungünstigstes Szenario
In diesem Szenario würde eine neue Variante auftreten, die nicht nur besser der Immunabwehr entkommen könnte und somit ansteckender wäre als vorherige Varianten – sie würde auch wieder mit schwereren Verläufen einhergehen.

Risikogruppen (Ältere, Schwangere, Immunsupprimierte oder Menschen mit Grunderkrankungen) wären selbst mit vollständiger Impfung deutlich mehr gefährdet, einen schweren Verlauf zu entwickeln.

Welche Konsequenzen hätte dieses Szenario?

Das Gesundheitssystem würde durch zahlreiche Covid-19-Fälle erheblich belastet. Sowohl Normal- als auch Intensivstationen könnten an ihre Grenzen stoßen. Patient:innen müssten verlegt und auf andere Kliniken verteilt werden.
Kontaktbeschränkungen wären dringend notwendig, bis durch Impfstoffe eine ausreichende Immunisierung der Bevölkerung wiederhergestellt wäre.
Impfstoffe müssten eventuell neu angepasst werden.
Impfzentren müssten wieder flächendeckend eröffnet werden.
Andere Atemwegserkrankungen würden wegen der Kontaktbeschränkungen weniger auftreten. Auch bei Kindern und Jugendlichen würde der Aufholeffekt ausfallen.
Artikel Abschnitt: Wie gut sind wir vor neuen Varianten geschützt?
Wie gut sind wir vor neuen Varianten geschützt?
Welchen Einfluss neue Virusvarianten im Herbst und Winter genau haben werden, ist unklar (siehe oben). Sie können im günstigen Fall weniger krank machen, im ungünstigen Fall noch besser dem Immunsystem entkommen und so den Schutz vor Infektion und Erkrankung negativ beeinflussen.
Expert:innen nehmen an, dass andere Atemwegsinfektionen wie die Grippe oder das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) in diesem Jahr stärker zurückkehren und uns zusätzlich belasten werden. Darüber hinaus können Co-Infektionen von Corona- und Influenzaviren zu schwereren Krankheitsverläufen führen.

Vorteil zum letzten Herbst: Viele sind besser geschützt
Der Unterschied zu den vergangenen Herbst- und Winterwellen: Letztes Jahr waren insbesondere unter den Kindern und Jugendlichen deutlich weniger geimpft, bei Erwachsenen lief die Impfkampagne zur ersten Auffrischung gerade an.

Jetzt liegt aufgrund der Kombination aus Impfungen und einer hohen Anzahl durchgemachter Infektionen eine breitere Basisimmunität gegenüber dem Coronavirus vor – ein deutlicher Vorteil zum letzten Winter.

Wie lange wir nach einer Infektion oder Impfung immun sind, lest ihr hier.

Also, gucken wir noch mal genauer hin.

Wo stehen wir gerade mit den Impfungen?
Die Impflücke in Deutschland ist noch nicht geschlossen.

Für viele Menschen liegt die erste Auffrischungsimpfung schon mehr als sechs Monate zurück, viele haben sich in der Zwischenzeit aber auch infiziert. Erst- und Zweitimpfungen kommen nur noch sehr wenige dazu.

Wie viele Menschen sind schon genesen?
Das Corona-Dashboard des RKI gibt mehr als 30 Millionen genesene Fälle seit Beginn der Pandemie an, einschließlich Impfdurchbrüche. Das würde 36 Prozent der Bevölkerung entsprechen – allerdings: Steckt man sich noch mal mit dem Virus an, wird das immer als neuer genesener Fall gezählt.

Zusätzlich müssen wir davon ausgehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist als die Zahl der gemeldeten Fälle. Machen Infizierte keinen PCR-Test, werden sie nicht offiziell erfasst. Deshalb ist nicht klar, wie hoch der Anteil der Genesenen an der Gesamtbevölkerung wirklich ist.

Es gab in der Vergangenheit immer mal wieder Schätzungen, die davon ausgingen, dass es zwei- bis dreimal so viele Infektionen wie registrierte Fälle gebe. Diese Schätzungen sind aber schon älter und nicht einfach auf die Gegenwart übertragbar.

Grundimmunität sorgt für weniger schwere Verläufe
Dass es Impfdurchbrüche und Reinfektionen gibt, liegt daran, dass die Omikron-Varianten einen Weg gefunden haben, der bereits aufgebauten Immunabwehr zu entkommen. Dadurch werden viele erneut krank. Doch immerhin sorgt der Immunschutz durch Impfung, Genesung oder der Kombi aus beidem bisher dafür, dass die Infektionen seltener schwer verlaufen.

Wird es einen angepassten Impfstoff geben?
Ja. Die Frage ist nur: Wann gibt es welchen? Mehrere Hersteller entwickeln Impfstoffe, die an Omikron angepasst sind. Das ist allerdings gar nicht so einfach, da es von Omikron mittlerweile mehrere Subvarianten gibt. Die erste, BA.1, tritt kaum noch auf.
Die zwei Omikron-Impfstoffe, die Biontech und Pfizer für Oktober angekündigt haben, sind jedoch noch auf BA.1 zugeschnitten. Die beiden Weiterentwicklungen sollen laut Biontech eine stärkere Immunantwort gegen Omikron BA.1 hervorrufen als der ursprüngliche Impfstoff – gegen die Variante BA.5 dagegen, die aktuell bei uns dominiert, schützen sie schon deutlich schlechter.

Studien dazu haben die Unternehmen noch nicht vorgelegt. Ein Impfstoff, der an BA.5 (und BA.4) angepasst ist, hat bisher positive Ergebnisse in Tierversuchen erzielt.

Auch Moderna hat zeitgleich im letzten Winter begonnen, seinen Impfstoff weiterzuentwickeln. Auch hier ist der an BA.1 angepasste Impfstoff am weitesten. Das Unternehmen gab bekannt, dass der angepasste Impfstoff als Auffrischimpfung besser vor Omikron schützt als der bisherige Moderna-Impfstoff. Der Schutz vor BA.5 fällt allerdings auch hier geringer aus als der vor BA.1.

Angepasste Impfstoffe jedes Mal an Menschen testen?
Die US-Arzneimittelbehörde (FDA) rechnet für die USA im Herbst 2022 mit Impfstoffen, die an BA.5 angepasst sind – allerdings an Proband:innen unerprobt. So ein Vorgehen ist für Corona-Impfstoffe neu, bei Grippeimpfstoffen ist es gebräuchlich.

Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) will Corona-Impfstoffe weiterhin nur zulassen, wenn sie zuvor auch an Proband:innen getestet wurden. Das heißt, solange die auf BA.5 zugeschnittenen Impfstoffe nicht an Menschen erprobt sind, werden wir auf sie warten müssen.

Die EMA gibt dabei zu bedenken, dass BA.5 wahrscheinlich im kommenden Herbst schon nicht mehr dominieren wird, sondern von einer neuen Variante verdrängt wird.

Die Behörde will erst den Zulassungsantrag zu den BA.1-Impfstoffen fertig bearbeiten. Wenn der BA.4/5-Antrag eingereicht wird, will ihn die EMA in einem Schnellverfahren prüfen. Ob die Impfstoffe gegen BA.1 in der Zwischenzeit schon verteilt werden und die gegen spätere Varianten dann nachkommen oder ob man gleich auf die Impfstoffe gegen BA.5 wartet, muss die Bundesregierung entscheiden.

Diese Szenarien für Impfstoffe gibt es:
Die britische Behörde Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE) hat Anfang des Jahres anhand von vier Szenarien aufgezeigt, wie hoch je nach Situation der Bedarf an weiterentwickelten Covid-19-Impfstoffen ist. Auch hierbei handelt es sich um denkbare Szenarien und nicht um Prognosen.

Szenario 1: Best Case
Künftige Varianten erhöhen die Übertragbarkeit des Virus nicht. Die Immunflucht ist minimal und es kommt nur noch saisonal und regional zu Ausbrüchen. Die schon vorhandenen Impfstoffe werden zur jährlichen Auffrischung eingesetzt.

Szenario 2: optimistisch
Varianten verursachen weitere Infektionswellen, die je nach Saison und Jahr unterschiedlich stark ausfallen („gute“ und „schlechte“ Jahre). In vulnerablen Gruppen kommt es zu Todesfällen. Regelmäßig angepasste Impfstoffe werden diesen Risikogruppen verabreicht – in schlechten Jahren auch weiteren Personengruppen. Vereinzelt bedarf es nichtpharmazeutischer Maßnahmen wie Abstand, Maskenpflicht etc.

Szenario 3: pessimistisch
Neue Varianten führen zu ähnlichen Verläufen wie bei Delta. Die Impfstoffe bieten zwar weiterhin einen guten Schutz vor schweren Verläufen, dennoch kommt es zu Belastungen des Gesundheitssystems. Eine jährliche Impfung mit aktualisierten Impfstoffen wird notwendig. Neben Coronawellen kommt es zu Grippewellen.

Szenario 4: Worst Case
Hohe Inzidenzen und unvollständige Impfung weltweit führen zu mehr Virusvarianten mit teils starker Immunflucht. Das Altersprofil der betroffenen Gruppen verändert sich (zum Beispiel können mehr jüngere Patient:innen stärker betroffen sein). Langfristige Auswirkungen belasten das Gesundheitssystem. Flächendeckende Impfungen mit aktualisierten Impfstoffen werden erforderlich, ebenso nichtpharmazeutische Maßnahmen wie Abstand, Maskenpflicht etc.

Laut Expert:innen kein Impfstoffmangel
Immerhin: Können die neuen Impfstoffe im Herbst wie geplant ausgerollt werden und steigt dann auch die Nachfrage, sind wir laut Einschätzungen von Expert:innen gerüstet.

Der medizinische Vorstand des Klinikums Stuttgart, Jan Steffen Jürgensen, sagte gegenüber der Tagesschau: „Auf eine hoffentlich hohe Nachfrage können wir reagieren und sind auch vorbereitet.“ Man könne das Impfgeschehen schlagartig massiv steigern. Andere Fachleute treffen ähnliche Aussagen.

Für wen eine vierte Impfung aktuell sinnvoll ist, haben wir hier erklärt.

Welche Maßnahmen sind ab Herbst vorgesehen?
Anfang August hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen „Vorschlag für eine Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes“ vorgestellt – das von Oktober bis in den April hinein gelten soll.
Es ist von einem 7-Punkte-Plan die Rede, der ein mehrstufiges Schutzkonzept darstellen soll, das sich auf die jeweilige Infektionslage bezieht. Danach sollen zwischen Oktober und April bestimmte Schutzmaßnahmen bundesweit gelten.

Außerdem sollen die Länder – wenn erforderlich – weitere Schutzmaßnahmen anordnen können. Ziel sei, das Gesundheitssystem, die sonstige kritische Infrastruktur sowie einen geregelten Schulunterricht in Präsenz aufrechtzuerhalten.

Diese Schutzmaßnahmen sollen bundesweit gelten:
Maskenpflicht im Luft- und öffentlichen Personenfernverkehr
Wer medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen betreten will, muss Maske tragen und einen aktuellen negativen Test nachweisen.
Frisch geimpfte und genesene Personen sollen von der Testpflicht ausgenommen sein – sowie Personen, die in den jeweiligen Einrichtungen behandelt, betreut oder gepflegt werden.
Das ist umstritten, denn die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass auch Geimpfte infektiös sein können. Allerdings ist der Schutz vor Infektion in den ersten Monaten nach der Impfung noch am höchsten. Deshalb ist es unwahrscheinlicher, dass Geimpfte in dieser Zeit überhaupt infiziert sind und andere anstecken können.

Mit neuen, angepassten Impfstoffen könnte der Schutz vor Infektion außerdem wieder etwas höher sein als mit den klassischen Impfstoffen. Daten dazu gibt es noch nicht.

Diese Schutzmaßnahmen sollen optional von den Ländern angeordnet werden:
Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr
Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen (außer bei Freizeit-, Kultur- oder Sportveranstaltungen), in Freizeit- und Kultureinrichtungen, in der Gastronomie und beim Sport, wenn ein Testnachweis vorliegt oder man genesen ist (Genesung darf maximal 90 Tage her sein) oder man vollständig geimpft ist (und die letzte Impfung höchstens drei Monate her ist)
Testpflicht in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen wie Asylbewerber- oder Kinderheimen, in Schulen und Kindertageseinrichtungen
Maskenpflicht in Schulen und Ausbildungseinrichtungen für Beschäftigte und für Schüler:innen ab dem fünften Schuljahr – sofern andernfalls der Präsenzunterricht nicht aufrechterhalten werden könnte.
Stellt ein Landesparlament für das gesamte Bundesland Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen fest, können dort weitergehende Maßnahmen angeordnet werden, wie etwa eine Maskenpflicht im Freien – Schulschließungen oder ein echter Lockdown gehören nicht dazu.

Umstritten: Dreimonatsregel bei Impfungen
Insbesondere die Dreimonatsfrist bei vollständig Geimpften ist umstritten. Dass man einen Test vorlegen muss, wenn die Impfung länger als drei Monate her ist, könnte man so verstehen, dass man sich alle drei Monate impfen lassen soll. Das ist so nicht vorgesehen – und wäre auch medizinisch nicht sinnvoll.

Über die Wirkung der Impfung und den Selbstschutz lässt sich sagen: Auch nach drei Monaten ist gerade bei jungen gesunden Menschen noch ein ausreichender Impfschutz vorhanden, insbesondere gegen schwere Verläufe. Allerdings zeigen Studien auch, dass der Schutz vor einer Infektion in den Monaten nach der Impfung allmählich schwächer wird. Wie schnell, kann individuell verschieden sein.

Da das Infektionsrisiko für Geimpfte steigt, je länger die Impfung her ist, steigt auch das Risiko, dass sie das Virus an andere weitergeben. Dem kann man mit Maßnahmen wie Tests und Masken entgegenwirken.

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