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Bei diesen Argumenten solltest du in Diskussionen aufpassen

Manchmal kommen in Diskussionen Argumente auf, die eigentlich keinen Sinn ergeben. Wie du Scheinargumente erkennst und darauf reagieren kannst.

Manche Themen sind einfach als Aufregerthemen geschaffen. Sobald es in Onlinemedien oder Social Media um Klimawandel, Fleischkonsum oder Corona geht, wird in den Kommentarspalten hitzig diskutiert, erbittert gestritten und immer wieder auch beleidigt.
Irgendwann tauchen in solchen Diskussionen Argumente auf, die beim genaueren Hinsehen eigentlich gar keine sind. Man spricht dann von “Scheinargumenten” oder “Scheinargumentationen”. Denn Menschen setzen diese häufig gezielt ein, um ihr Gegenüber zu verwirren und in der Diskussion die eigene Position durchzusetzen.

In diesem Text zeigen wir, wie eine gute Argumentation aufgebaut ist, welche Scheinargumentationen es gibt und wie sich am besten darauf reagieren lässt.

Die Basis für eine gute Argumentation
Das Wort Argumentieren stammt ab von dem lateinischen Verb “arguere” und bedeutet etwa “beweisen” oder “darlegen”. In Diskussionen oder Streitfragen dienen Argumente dazu, Thesen und Behauptungen zu begründen.
“Es ist immer sinnvoll, sich dabei auf mehr als ein Argument zu stützen”, empfiehlt Olaf Kramer, Professor für Rhetorik und Wissenskommunikation an der Uni Tübingen. Wer eine Art Beweiskette aufbaut, ist besser gewappnet gegen Angriffe von der Gegenseite. Wichtig bei der Auswahl der Argumente: Sie müssen für das Thema relevant sein und sich gut belegen lassen.

Ein Argument besteht aus zwei Teilen
Ein Argument besteht in der Regel aus zwei Teilen: einer oder mehreren sogenannten Prämissen (Voraussetzungen, welche die Schlussfolgerung stützen; zum Beispiel “Wale sind Säugetiere” und “alle Säugetiere sind Warmblüter”) und einer Schlussfolgerung (zum Beispiel “Wale sind Warmblüter”). Ein Argument ist nur dann gültig und schlüssig, wenn alle seine Voraussetzungen wahr sind.

Argumentationen lassen sich allerdings auch leicht manipulieren. So können etwa die Voraussetzungen alle wahr, die daraus abgeleitete Schlussfolgerung aber trotzdem falsch sein: “Alle Frauen atmen” und “der Papst atmet” sind wahr – trotzdem stimmt “der Papst atmet, also ist er eine Frau” nicht. Solche Fehlschlüsse schleichen sich manchmal aus Versehen ein. Sie werden oft aber auch gezielt eingesetzt, um zu verwirren, zu verunsichern und letztendlich die eigene Position durchzusetzen.

Red Herring
Ein Ablenkungsmanöver
Name: Stammt von der englischen Redewendung “to throw someone a red herring” (dt.: “jemandem einen gepökelten/roten Hering hinwerfen”; Jagdhunde wurden durch die stark riechenden Fische gezielt von einer Fährte abgelenkt) und bedeutet sinngemäß, jemanden in die Irre zu führen.
Das steckt dahinter: Innerhalb der Diskussion nutzt die wortführende Person plötzlich Argumente, die mit dem eigentlichen Thema nur noch kaum etwas oder gar nichts mehr zu tun haben. Der Fokus der Diskussion wird von der Kernfrage auf Nebenaspekte umgeleitet und der Bogen zurück oft nicht mehr geschlagen.

Falsches Dilemma
Es gibt mehr als Schwarz und Weiß
Name: Falsches Dilemma oder falsche Dichotomie (= Zweiteilung)
Das steckt dahinter: Die wortführende Person erweckt in einer Streitfrage den Anschein, dass es nur genau zwei Lösungsmöglichkeiten gibt. Eine der beiden Möglichkeiten wird dann eliminiert, sodass im Endeffekt nur eine akzeptable Antwort übrig bleibt – jene, welche die argumentierende Person befürwortet.

Strohmann-Argument
Kein fairer Kampf
Name: Die Metapher des Strohmanns stammt aus dem Schwert- und Fechttraining: Anfänger trainieren mit Gegnern aus Stroh, die keinen Widerstand leisten können. Dadurch wird natürlich jeder Kampf gewonnen.
Das steckt dahinter: Wer mit einem Strohmann-Argument arbeitet, gibt nur vor, sich mit der Gegenposition auseinanderzusetzen. Tatsächlich argumentiert die wortführende Person aber gegen einen “Strohmann”, also einen fiktiven Gegner, dem eine verfälschte Version der gegnerischen Argumente in den Mund gelegt wird. Die Argumente werden verkürzt, überhöht oder einfach falsch wiedergegeben, auch nie getroffene Aussagen sind möglich. Widerlegt die wortführende Person diese dann durch die eigene Position, scheint sie die Diskussion vermeintlich gewonnen zu haben.

Argumentum ad ignorantiam
Nichtwissen gilt nicht
Name: lateinisch für “Argument, das an das Nichtwissen appelliert”
Das steckt dahinter: Eine These wird für falsch erklärt – nur weil sie bisher nicht bewiesen werden konnte. Genauso gilt umgekehrt: Eine These wird für richtig erklärt, weil sie bisher nicht widerlegt werden konnte.

Argumentum ad hominem
Angriff auf die Person
Name: lateinisch für “Argument, bezogen auf den Menschen”
Das steckt dahinter: Die wortführende Person nutzt keine Argumente, um ihre Position durchzusetzen, sondern greift das Gegenüber persönlich an. Charakter, Vorgeschichte, Aussehen oder andere Merkmale werden kritisiert und als Grund angeführt, um die gegnerische Position abzulehnen. Ein solcher verbaler Angriff trägt inhaltlich nichts zur Diskussion bei. Die Aussagen sind häufig überspitzt und polemisch.

Tu quoque
Erst einmal vor der eigenen Tür kehren
Name: lateinisch für “auch du”
Das steckt dahinter: Die Tu-quoque-Argumentation ist eine Sonderform von ad hominem. Die wortführende Person verweist auf das Verhalten anderer, um deren Position zu entkräften. Es wird impliziert, dass die Argumente der Gegenseite zu Unrecht vorgebracht würden und zurückgenommen werden müssten.

Tu quoque
Erst einmal vor der eigenen Tür kehren
Name: lateinisch für “auch du”
Das steckt dahinter: Die Tu-quoque-Argumentation ist eine Sonderform von ad hominem. Die wortführende Person verweist auf das Verhalten anderer, um deren Position zu entkräften. Es wird impliziert, dass die Argumente der Gegenseite zu Unrecht vorgebracht würden und zurückgenommen werden müssten.

Argumentum ad verecundiam
Prominent, aber keine Ahnung
Name: lateinisch für “Argument, bezogen auf die Ehrfurcht”
Das steckt dahinter: Die argumentierende Person beruft sich auf Prominente, Experten oder eine andere Autorität, die im Adressatenkreis anerkannt ist, um die eigene Behauptung als valide erscheinen zu lassen. Dabei spielt es oft keine Rolle, ob die angeführte Person überhaupt irgendeine Qualifikation bezüglich des diskutierten Themas besitzt.

Dammbruch-Argument
Wenn die Mücke zum Elefanten wird
Name: Bezieht sich darauf, dass es innerhalb einer Ereigniskette zu einem metaphorischen Dammbruch kommen könnte. Im Englischen auch “slippery slope”, also rutschiger Abhang, genannt.
Das steckt dahinter: Die argumentierende Person untermauert die eigene Position dadurch, dass sie ein Horrorszenario für alternative Szenarien heraufbeschwört. Sie beschreibt die Ausgangssituation erst einmal harmlos, steigert sich aber schrittweise bis zum katastrophalen Ausgang – wie bei einem Dammbruch. Die Argumentation verläuft vereinfacht wie folgt: “Erlauben wir A, führt das über B, C und so weiter letztendlich zu Z. Und da Z absolut nicht wünschenswert ist, darf A nicht erlaubt werden!” Einige dieser Kausalketten können durchaus sinnvoll und theoretisch denkbar sein. Menschen, die ein Dammbruchargument anführen, setzen aber oft auf unwahrscheinliche, extrem überzeichnete Ereignisse.

Post hoc, ergo propter hoc
Zusammenhang nur zum Schein
Name: Stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt etwa “danach, also deswegen”.
Das steckt dahinter: Bei diesem Argument handelt es sich um einen Fehlschluss: Es wird angenommen, dass zwei Ereignisse in einem direkten Zusammenhang stehen, nur weil sie zeitlich nacheinander geschehen. Ganz nach dem Schema: Wenn B nach A folgt, muss A auch B ausgelöst haben. Wenn es sich bei B um ein unerwünschtes Ereignis handelt, wird die Argumentation auch dazu genutzt zu “beweisen”, warum A vermieden werden sollte.

Auf Scheinargumentationen reagieren
Scheinargumentationen begegnen einem immer wieder – im persönlichen Gespräch, in den Kommentarspalten unter Social-Media-Posts oder auf der politischen Weltbühne. In der Praxis lassen die sich nicht immer so klar trennen. Oft folgen mehrere Finten aufeinander, um maximale Verwirrung zu stiften.
Mit Scheinargumentationen umzugehen, kann deshalb schwierig sein. Wenn du bemerkst, dass dein Gegenüber nicht ganz sauber argumentiert, gibt es verschiedene Methoden, um darauf zu reagieren.

1. Emotionen rausnehmen
Ruhig bleiben, durchatmen, nicht emotional werden: Klingt banal, kann aber ganz schön schwer sein. Vor allem, wenn immer die gleichen (falschen) Argumente kommen. Schaukeln sich die Emotionen hoch, endet die Diskussion schnell in einer Sackgasse.

„Fühlt man sich erst einmal persönlich angriffen, verfestigen sich die Positionen – und niemand bewegt sich mehr davon weg“, so Olaf Kramer, Professor für Rhetorik und Wissenskommunikation an der Uni Tübingen.

Er empfiehlt, Gefühle in eine positive Richtung zu lenken: Statt erbost über die Uneinsichtigkeit des Gegenübers zu sein, kann man emotional positiv gegen argumentieren („In der Automobilbranche habt ihr ja auch schon viele tolle Innovationen auf den Weg gebracht, die dem Klimaschutz helfen können – dein Job und die Energiewende schließen sich nicht völlig aus!“).

2. Positiv argumentieren
Statt die Argumente der Gegenseite eines nach dem anderen zu zerlegen, sollte man die eigene Position herausstellen: Was sind gute und richtige Gründe, die für den eigenen Standpunkt sprechen? Dabei am besten so vielschichtig wie möglich sein und nicht nur einen Aspekt angeben.

3. Methoden aufzeigen
Diese Gegenstrategie funktioniert bei allen Scheinargumentationen: Sprich direkt an, was dein Gegenüber gerade für eine Strategie einsetzt. Danach lässt es sich leichter zum eigentlichen Thema zurückkehren.

Ad hominem: „Du regst dich gerade über eine Person auf, aber eigentlich sollten wir ja über die Sache sprechen.“
Slippery Slope / Dammbruch-Argument: „Von den ganzen Punkten, die du gerade aufgezählt hast, stimme ich dir bei einem zu – den Rest halte ich eher für unwahrscheinlich. Lass uns lieber zum Kernthema zurückkehren.“
Falsches Dilemma: „Ich bin mir sicher, dass es neben den zwei Optionen, die du aufgezählt hast, noch weitere Möglichkeiten gibt. Und die würden unsere diskutierte Frage in einem ganz anderen Licht dastehen lassen.“

4. Beim Thema bleiben
Viele dieser Argumentationstechniken haben zur Folge, dass man sich vom eigentlichen Thema wegbewegt: Eine grundsätzliche Strategie ist also auch, das Gespräch aktiv und direkt zum Ausgangspunkt zurückzuführen: „Um beim Thema zu bleiben …“

5. Fragen stellen
Die Position deines Gegenübers ist Quatsch? Kann sein, aber so kommt man nicht weiter. „Wer nachfragt und sich die andere Sichtweise erläutern lässt, hat die Chance, aus dem Dialog heraus Probleme zu lösen“, empfiehlt Rhetorikprofessor Kramer.

Person A: „Die Testpflicht und hohen Fallzahlen sind alles nur Show, um den Lockdown wieder zu bekommen – aber diesmal werden es viele Gott sei Dank nicht mehr mit sich machen lassen!“
Person B: „Wieso sollte man wieder einen Lockdown wollen?“
Person A: „Um noch mehr kleine Geschäfte kaputtzumachen und weitere Familien in den Ruin zu treiben.“
Person B: „Und Familien in den Ruin zu treiben bringt wiederum wem was? Die Regierung möchte sicher nicht die eigene Wirtschaft zerstören …“
Laut Kramer ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und Seiten auszutauschen: „Das wird die andere Person als positiveren Impuls wahrnehmen, als alle ihre Argumente logisch stringent widerlegt zu sehen.“

6. Perspektive wechseln
Leute, die (vermeintlich) auf der Seite der Vernunft stehen, argumentieren Kramer zufolge tendenziell nicht immer aus psychologischer Sicht. „Ganz nach dem Motto ‚Ich stehe auf der richtigen Seite, also musst du mir auch zuhören‘.“ Das bringt natürlich wenig: „Ein Perspektivwechsel kann helfen, auch einmal die Interessenslagen der Gegenseite zu sehen. Was sind Ängste oder Motivationen? An diesen Stellen lässt sich dann in der eigenen Argumentation besser anknüpfen.“

Person A: „Das ganze Theater um die Maske bringt doch nix, ich sehe nicht ein, die zu tragen.“
Person B: „Na toll, schon wieder ein Corona-Leugner! Wer immer noch nicht verstanden hat, warum wir gemeinsam gegen die Pandemie kämpfen müssen, ist echt dumm. Geh doch nach Hause und bastele dir ein paar Aluhüte …“
Besser wäre es, wenn Person B in diesem Fall nicht so sehr von oben herab spricht. Wenn sie stattdessen versucht, sich in Person A hineinzuversetzen, kann sie etwas über deren Motivation erfahren:

Person B: „Warum denkst du, das Tragen der Maske bringt nichts?“
Person A: „In meinen Laden kommen weniger Kunden, wenn sie dort eine Maske tragen müssen. Das treibt mich in den Ruin – und ich habe eine Familie zu ernähren.“

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