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Bestrafe einen, erziehe Tausende

Wegen „Drecksstaat“: 1.500 Euro Geldstrafe für Studenten

„In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“
Kurt Tucholsky

Hätten Sie mich bis vor fünf Minuten gefragt, ob die Bundesrepublik ein Drecksstaat ist, dann hätte ich gesagt: Bei aller berechtigten Kritik, bei aller Abwendung von Demokratie und Rechtsstaat – so weit würde ich nicht gehen.

Vor fünf Minuten las ich, dass ein 26-jähriger Informatik-Student aus München einen Strafbefehl über 1.500 Euro Strafe bekam, weil er Deutschland in einem Post als „Drecksstaat“ bezeichnete aus Wut darüber, dass er während der Corona-Maßnahmen nicht zu seiner Oma durfte, um mit ihr Geburtstag zu feiern. Neben den 1.500 Euro muss der junge Mann auch die Verfahrens- und Anwaltskosten bezahlen.

Der junge Mann bekam ein dreiviertel Jahr nach seinem Tweet aufgrund der Anzeige eines anonymen Denunzianten eine Vorladung von der Polizei Rosenheim – und war völlig konsterniert. Er wusste gar nicht, was die Polizei von ihm wollte. Und konnte sich gar nicht vorstellen, dass seit neun Monaten gegen ihn ermittelt wurde.

Es ging um folgende drei zusammenhängende Tweets:

„Gerade hat ein Pfleger aus dem Heim angerufen. ‚Zu viele COVID-Fälle, Bewohner dürfen 1 Woche das Heim nicht verlassen‘. Frage an die Juristen unter meinen Followern: auf welcher Grundlage können die die Bewohner einsperren? Wir fahren aber auf jeden Fall. Es reicht.“
„Ich kriege das absolute Kotzen bei diesem Drecksstaat und jeder einzelnen Person, die dieses menschenverachtende System unterstützt.“
„Ist ja nur ihr 90. Geburtstag. Nachdem bereits ihr 88. und 89. ausgefallen sind. Und Weihnachten. Zwei mal. ‚Sind doch nur zwei Wochen und du bist doch noch jung *Clown-Emoticons*‘ Fickt euch.“
Diese Aussagen wurden nach der anonymen Anzeige in den Strafverfolgungsbehörden unter der Kategorie „Staatsschutz/Terrorismus“ eingeordnet.

Freiheitliche Demokratien zeichnen sich dadurch aus, dass man sie auch ungestraft als Drecksstaat bezeichnen darf, obwohl sie keine sind. Staaten, die es unter Strafe stellen, wenn sie ihre Bürger als „Drecksstaat“ bezeichnen, erwecken damit zumindest den begründeten Verdacht, dass sie ein eben solcher sind.

Schon in Sachen Beleidigung von Privatpersonen kann man durchaus in Zweifel ziehen, ob es wirklich notwendig ist, dass der Staat bzw. seine Justiz die Kränkung der Ehre und mithin der Gefühle von jemandem als Straftat verfolgen lässt. Und ob das nicht besser im Zivilrecht aufgehoben wäre. Zumal in Deutschland wegen Überlastung der Justiz immer wieder Straftäter auf freien Fuß kommen, bis hin zu einem Frauenmörder und Kinderschänder (siehe hier).

Es gibt durchaus Staaten, die keinen Beleidigungs-Paragraphen im deutschen Sinne kennen. Etwa die USA. Schmähungen und Beleidigungen sind dort legal – aufgrund des „First Amendments“, des ersten Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten.

Dass der Staat aber nicht nur die Beleidigung von Privatpersonen untereinander kriminalisiert, sondern auch noch die „Beleidigung“ des Staates, ist höchst fragwürdig. Laut Paragraph 90, Absatz 1, Satz 1 des Strafgesetzbuches, muss mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe rechnen, wer öffentlich die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht.

Eigentlich könnte man provokant fragen, warum aufgrund dieses Paragraphen etwa nicht gegen Nancy Faeser ermittelt wird, die unsere verfassungsmäßige Ordnung in meinen Augen durch ihr Verhalten in der Regierung und ihre Einseitigkeit und Radikalität verächtlich macht – und der man dabei durchaus auch Böswilligkeit unterstellen kann.

Früher wurde dieser Paragraph kaum bis gar nicht angewandt. Kultur-Staatsministerin Claudia Roth von den Grünen lief bei einer Demonstration mit, bei der Parolen wie „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“ und „Deutschland verrecke“ mitgeführt bzw. skandiert wurden.

Von Ermittlungen ist nichts bekannt. Auch nicht von einer Distanzierung Roths von den Parolen.

Das Vorgehen gegen den Studenten ist nicht vom freiheitlich-pluralistischen Geist des Grundgesetzes und der späten Bundesrepublik getragen, sondern vom Geist der DDR.

Der heute buchstäblich aus allen Ritzen kriecht – ob das den „Haltungs“-Zwang in Medien und Politik betrifft oder die Verwahrlosung des öffentlichen Raums und den Niedergang der Wirtschaft. Allein die Tatsache, dass sich die Justiz über ein Jahr lang mit dem Tweet eines Studenten beschäftigt, spricht Bände. Auch dass in den großen Medien bis auf wenige Ausnahmen nicht über die Verurteilung berichtet wird (Stand: Nacht auf Donnerstag), ist vielsagend.

Der Geist ist fruchtbar noch, aus dem der Geist des Kommunismus kroch.

Angela Merkel hat ganze Arbeit geleistet.

PS: In den sozialen Netzwerken sorgte das Urteil für heftige Debatten. Der aus Syrien stammende Blogger Manaf Hassan schrieb auf „X“: „Wenn du Corona-Deutschland einen #Drecksstaat nennst, kriegst du als Student ein Bußgeld in Höhe von 1500 €. Wenn du aber Vetternwirtschaft betreibst, korrupt bist, deinen Lebenslauf fälschst, Steuergelder hinterziehst & Deutschland durch krumme Machenschaften um Millionen bis Milliarden betrügst, wirst du Bundeskanzler, Außenminister, Wirtschaftsminister & Präsident der Europäischen Kommission.
Das Ganze nennt sich dann ‚Demokratie‘.“

Der Blogger „Jonas“ erläutert, dass es Ermessenssache der Staatsanwaltschaft war, nach Paragraph 90 anzuklagen – oder nicht. Sein Fazit: „Abgesehen von der rechtlichen Dimension des Falls ist die Vorgehensweise der Behörden ohnehin fragwürdig und erweckt den Eindruck, hier solle um jeden Preis ein Exempel statuiert (inklusive Einschüchterungseffekt) und bestimmte Meinungen im Wege des missbräuchlichen Einsatzes ohnehin spärlicher und anderweitig benötigter Justizressourcen aus rein politischen Gründen sanktioniert werden.“

Ein anderer Blogger schreibt: „Das Erschreckende am #Drecksstaat ist, dass er beliebig dreckig mit seinen Untertanen umgehen kann, und die Paragraphen 90 und 90a StGB gelten trotzdem noch. Selbst wenn der Staat völlig Amok läuft (Corona/Klima), kann er ein solches Gesetz nutzen, um Kritiker mundtot zu machen.“

Ruben Equit schreibt: „Was musste Claudia Roth eigentlich zahlen, als sie bei einer Demo Schildern wie ‚Deutschland, Du mieses Stück Scheiße’ und ‚Deutschland verrecke‘ hinterhergelaufen ist? Und dies nicht als harmlose Studentin, sondern als Politikerin dieses Landes.“ (Reitschuster)

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