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Der Todestag des Frauenfelder Theologen und Alchemisten Raphael Egli jährt sich zum 400. Mal

Er brachte die evangelischen Kirchen wieder zum Singen, aber machte Schulden:
Er liess sich mit der Alchemie auf weltanschauliche Grenzgebiete ein, verschuldete sich deswegen und musste die Schweiz verlassen: Der aus Frauenfeld stammende bekannte Theologe Raphael Egli ist vor 400 Jahren in Marburg (Deutschland) gestorben. Dort war er mit einer Professur betraut.

Wegen Schulden gegangen worden: Am 20. August 1622 – also vor 400 Jahren – stirbt im hessischen Marburg der Schweizer Theologe Raphael Egli (auch: Eglin). Seine Spuren führen nach Frauenfeld, wo Vater Tobias Egli aus Neunforn die evangelische Pfarrstelle ausübt. Der Examinatorenkonvent in Zürich hatte ihn dem Schultheissen und Rat von Frauenfeld empfohlen. Und der Nachfolger Zwinglis, Heinrich Bullinger, schrieb dazu:

«Er kann gut predigen und hat im Examen wohl geantwortet. Er ist gebürtig von Frauenfeld und ist mit eurer [Frauenfelds] Weisheit Stipendium auferzogen worden und deshalb dazu [nach Frauenfeld zu gehen] verpflichtet.»
Aber es gibt Streit, und die Familie Egli muss das Pfarrhaus und die Stadt verlassen – «wegen evangelischer Eifer» des Vaters, wie es heisst. Raphael, der Sohn, aber studiert dasselbe wie sein Vater. In Zürich erklimmt er die Leiter der Kirchenämter und der theologischen Wissenschaft. Und er schreibt ein Gutachten an den Rat, im Gottesdienst den Gemeindegesang doch wieder einzuführen. Dieser war seit Zwinglis Reformation sistiert. Die Zustimmung im Rat wird Eglis bislang grösster Erfolg. Und so führt ein Thurgauer in Zürichs weitreichendem Einflussgebiet das Singen ein. Aber ausgerechnet als das Singen wieder eingeführt werden sollte, muss Egli Zürich und die Schweiz verlassen. Was war geschehen?

Das flotte Leben der Reichen und Schönen
Auch die damaligen Menschen träumten von Reichtum und fieberten mit den forschenden Start-ups, den Alchemisten, darnach, aus einfachsten Stoffen kostbarstes Gold herzustellen. Sie suchten ihresgleichen und lärmten auf ihren Partys an exklusiven Orten und in gehobenen Kreisen. Belegt sind solche lauten Feten ausgerechnet aus dem ehrwürdig gebliebenen und still gewordenen Schloss Elgg. Die betuchten Brüder Heinzel von Tägernstein, aus der schwäbischen Reichsstadt Augsburg stammend, hatten die Herrschaft Elgg gekauft, um hier als Schloss- und Gerichtsherren das Leben auf einer «höheren Stufe» zu führen.

Hohe theologische Ämter
Raphael Egli wurde am 28. Dezember 1559 in Frauenfeld geboren. Er starb am 20. August 1622 im hessischen Marburg. Er heiratete 1583 Susanna Schmid, Tochter des Sebastian Schmid, der Pfarrer in Oberwinterthur war. Egli verbrachte seine Jugend und Schulzeit in Davos, Russikon, Chur und Chiavenna. In Zürich, Genf und Basel studierte er Theologie. 1588 wurde er Alumnen-Inspektor am Zürcher Fraumünster und 1592 Diakon am Grossmünster. Im selben Jahr erhielt er eine Professur für das Neue Testament. Im Jahr 1605 musste Egli Zürich verlassen, da er durch alchemistische Experimente in Geldnot geraten war. Er wurde Doktor und Professor der Theologie in Marburg. 1595 und 1609 veröffentlichte Egli Vorlesungen von Giordano Bruno, den er 1591 in Zürich getroffen hatte. (red)

Mit den neuen Besitzern beginnt in Elgg ein fröhliches Leben. Besuch folgt auf Besuch, Fest reiht sich an Fest. Das Schloss Elgg wird zum Treffpunkt der Reichen und Schönen. Die neuen Gerichtsherren finden als smarte Junker keine Zeit, sich mit alltäglichen Dingen zu beschäftigen. Die Alchemie wird zum Faszinosum. Doch es mischen sich zu den lockeren und amüsanten Zusammenkünften bei den abgehobenen Junkern auch miese Betrüger. Sie vermögen die Heinzels davon zu überzeugen, dass die Forschung und Herstellung des Goldes ohne Kredite nicht machbar seien. Die Heinzels werden Schuldner.

Unter den Anbietern der Goldmacherei auf Schloss Elgg gibt es freilich nicht nur Betrüger, sondern auch ernsthafte Gelehrte und Namen von Rang. Der Theologe Raphael Egli verschreibt sich der Alchemie, besucht das Schloss Elgg und verschuldet sich. Des Schuldners Ansichten und Praktiken stören die Zürcher Obrigkeit. Er muss emigrieren. Im hessischen Marburg wird ihm der Landesfürst zum Retter. Der beehrt ihn mit einer Professur und macht ihn zum Schlossprediger.

Ein Zweiter von Rang und Namen besucht das Schloss Elgg: Giordano Bruno (1548–1600), ein aussergewöhnlicher Denker von europäischem Ansehen und Widerspruch. Schon in Zürich begegnet ihm der Geistesverwandte Raphael Egli. Welche Dienste Bruno den Schlossherren Heinzel geleistet hat, wissen wir nicht. Aber ganz erfolglos scheint sein Aufenthalt in Elgg nicht gewesen zu sein. Denn er wird von den Heinzels so reichlich belohnt, dass er das fertige Manuskript seines Hauptwerkes zum Abdruck nach Frankfurt zurücksenden kann.

Im weltanschaulichen Grenzgebiet
Der Thurgauer Raphael Egli und der italienische Europäer Giordano Bruno haben sich auf weltanschauliche Grenzgebiete des damals Erlaubten eingelassen. Beide bezahlen einen hohen Preis dafür: Raphael Egli nur den Preis des Verlustes der Bleibe im geliebten Zürich und Emigration; Giordano Bruno jedoch den vollen Preis des Verlustes seines Lebens.

Der bekannte Thurgauer Historiker Johann Adam Pupikofer hat beide Eglis, Sohn Rafael und Vater Tobias, auf die Liste der «Thurgauischen Gelehrten und Künstler» gesetzt. Und der Thurgauer Biograf Hans Brauchli schiebt sie in seine «Thurgauer Ahnengalerie».

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