Templer - Blog

Gedanken zur Karwoche vom Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler

V wie Flügel! Vielen Sportbegeisterten ist der Werbespot noch in guter Erinnerung. Nicht nur auf der Bergisel Schanze – Anlauf, Sprung, abheben, die Freiheit und Weite genießen und gut landen. Ein herrliches Gefühl, für die Schispringer:innen und für die Zuseher:innen. Weniger herrlich ist das Gefühl, wenn wir mit uns selbst und unserer Umgebung nicht im Reinen sind – nichts von “V wie Flügel”. Viele Menschen tragen enorme Altlasten von Enttäuschungen und Bitterkeit mit sich herum. Alles fühlt sich schwer an, kein Auftrieb, keine Sprungkraft. Beziehungen sind aus der Spur, sind eher mühsam und quälend.

Ähnliches haben wir in der Corona-Zeit erlebt. Nach einer anfänglichen Solidarität hat sich das menschliche Klima zusehends verschlechtert. Verbitterte Auseinandersetzungen rund um die gesetzten Maßnahmen hatten ihre Eigendynamik. Vermutlich braucht es eine große Portion Geduld und Zuhörbereitschaft, damit eine Aufarbeitung gelingen kann. Dennoch: Ein “Aufeinander-Zugehen” mit dem Ziel echter Versöhnung. Ich finde, wir sollten unbedingt jetzt damit beginnen! Ostern lädt uns dazu ein. Aber Versöhnung bitte nicht als politisches Schlag-Wort, nicht als Abrechnung.

In unserer nervösen Zeit wäre eine Reduktion von Gereiztheit heilsam, auch weniger Empörungsbereitschaft. Dafür ein Plus an Versöhnung – eine wiedergewonnene Freiheit, eine neue Freude an Begegnungen, ein befreites Durchatmen, ein wohlwollender Blick in die Augen, ein unverkrampftes Lächeln. “V wie Flügel!” Wenn uns doch das verdammt schwierige “Sorry! Bitte um Entschuldigung!” öfter über die Lippen käme! Der Stolz steht im Weg. In jedem Fall: Die Sehnsucht nach Versöhnung ist die wichtigste Flügelkraft im Herzen. Ich denke, diesen Sprung sollten wir wagen!

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