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Was du über Kunstschnee wissen solltest

Die Erderwärmung zwingt immer mehr Pistenbetreiber:innen zu künstlicher Beschneiung. Was bedeutet das für den Skisport und die Umwelt?Ohne Schneekanonen wäre Skitourismus in Schwarzwald, Sauerland oder in der Eifel kaum noch möglich. Im Sauerland stehen bereits etwa 500 Schneekanonen, damit Skifahrende und Snowboarder:innen die Pisten auch in den milderen Wintermonaten unsicher machen können.
Und auch im Alpenraum investieren Bergbahnbetreiber:innen immer mehr in moderne Beschneiungsanlagen. In Österreich lag 2019 beispielsweise auf 70 Prozent der Pisten Kunstschnee. „Es gibt ein weltweites Aufrüsten in Skigebieten“, sagt Tourismusforscher Prof. Jürgen Schmude, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft. Er geht davon aus, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren weiter verstärkt.

Was ist Kunstschnee?
Technischer Schnee oder Kunstschnee besteht aus Wasser – genau wie Naturschnee. Allerdings hat er durch sein Herstellungsverfahren eine andere kristalline Struktur.
Um Kunstschnee zu erzeugen, wird in den Bergregionen Wasser aus Schmelzwasserbächen oder künstlich angelegten Stauseen gepumpt und in so genannte “Propellerkanonen” eingespeist. Diese Schneekanonen versprühen das Wasser in kleinsten Tröpfchen in der Luft, so dass sie bei den kalten Temperaturen von außen nach innen zu Eiskügelchen gefrieren. Durch dieses Herstellungsverfahren ist Kunstschnee luftundurchlässiger, kompakter und weniger wärmedämmend. Außerdem enthält er Mineralien wie Kalzium oder Magnesium.

“Durch Wetterwechsel, Schneemetamorphose, mechanische Zerkleinerung und Verdichtung bei der Pistenpräparation wandelt Naturschnee seine kristalline Struktur immer mehr in “kunstschneeähnliche” Formen um”, erklärt Prof. Ralf Roth vom Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Das bedeutet: Am Ende der Skisaison kann man natürlichen und künstlichen Schnee kaum noch auseinanderhalten.

Ist Skifahren auf Kunstschnee anders als auf Naturschnee?
Durch seine kompakte, kristalline Struktur ist eine Piste mit Kunstschnee tendenziell dichter, der Schnee härter und die Abfahrt schneller. Inwiefern man diese Unterschiede auch beim Skifahren oder Snowboarden spürt, dafür gibt es noch keine gute Evidenz. Es mangelt an wissenschaftlicher Forschung.
Bei den Expertinnen und Experten, die wir für die Recherche befragt haben, gehen die Aussagen auseinander.

“Durch wechselnde Wetterlagen ist die Schneedecke sowieso ständigen Veränderungen ausgesetzt, denen sich Ski- und Snowboardfahrer anpassen müssen”, sagt Ralph Eder, Pressesprecher des Deutschen Skiverbands. “Dass die Piste durch Kunstschnee eine andere Beschaffenheit zum Skifahren hat, kann man so pauschal nicht sagen.”

“Eisige Pisten sind natürlich ein Zusammenspiel aus Wetter und Klima. Aber Kunstschnee ist rein durch seine Beschaffenheit schon härter und eisiger als Naturschnee und das spürt man”, sagt Prof. Volker Schöffl, stellvertretender Leiter der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Bamberg.

Bis Studien die nötige Evidenz liefern, muss diese Frage erstmal jede:r für sich selbst auf der Piste beantworten.

Führt Kunstschnee zu mehr Skiunfällen?
Nicht per se. Seit Beginn der technischen Beschneiung der Pisten ist die Zahl der Skiunfälle sogar zurückgegangen, zeigen Auswertungen des Österreichischen Skiverbands und der Stiftung Sicherheit im Skisport. Seit 1980 sind vor allem Knieverletzungen seltener geworden.
Das hat laut Österreichs Skiverband in erster Linie mit der Entwicklung des Carving-Skis zu tun, die ja etwa zeitgleich geschah, aber auch die Qualität der Pistenpräparierung dürfte darauf Einfluss haben. “Je mehr Schnee – ob natürlich oder maschinell erzeugt – desto besser die Möglichkeit einer guten Präparierung. Und das wiederum senkt das Sturzrisiko”, sagt Tomas Woldrich, Österreichischer Skiverband.

Art der Verletzungen verändert sich
Interessant ist allerdings, dass sich die Art der Verletzungen verändert hat. Rumpf-, Hüft-, Schulter- und Oberschenkelschädigungen werden häufiger, zeigen die Auswertungen der Stiftung Sicherheit im Skisport von 2022. Außerdem berichten Orthopäden und Unfallchirurginnen, dass Skiverletzungen schwerer geworden seien: “Früher kamen die Leute mit einfachem Kreuzbandriss, heute sind zusätzlich meist auch Meniskus, Innenband und Knorpel beschädigt”, sagt Prof. Schöffl von der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in Bamberg. Das liege zum einen an dem härteren Aufprall auf Kunstschnee, aber auch an schmalen beschneiten Pistenstreifen in schneefreier Landschaft, wenn Personen abseits der Piste auf Steine, Holzstämme oder vereiste Erde fallen.

Allerdings gibt es bisher keine Studien, die die Verletzungsgefahr oder spezifische Verletzungsmuster verschiedenen Pistenbedingungen zuordnen.

Wie umweltschädlich ist Kunstschnee?
Durch die Herstellung von Kunstschnee ergeben sich mehrere Fallstricke für Klima, Umwelt und Ökosystem, konkret:
hoher Wasserverbrauch
hoher Energieverbrauch
Lärm
Pro Hektar Kunstschnee braucht man in einer Saison etwa drei Millionen Liter Wasser. Das sind etwa 20.000 gefüllte Badewannen. Der hohe Wasserverbrauch führt zu zwei gravierenden Problemen in den betroffenen Bergregionen:

Zum einen fehlt oft Wasser für die örtliche Versorgung.
Und zum anderen greift der künstliche Schnee in den Wasserhaushalt ein. Er erhöht die Menge des Schmelzwassers und seine Zusammensetzung belastet Speicherseen mit Keimen.
Auch der Energieverbrauch ist extrem hoch. Die Schneekanonen aller Skigebiete in den Alpen verbrauchen pro Jahr etwa so viel Energie wie 500.000 Haushalte.

Hinzu kommt: Der Lärm von Schneekanonen stört Wildtiere. Da die Kanonen vor allem abends eingesetzt werden, durchbricht der Lärm die täglichen Ruhephasen der Tiere. Das kann Stress und einen erhöhten Energieverbrauch auslösen.

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