Templer - Blog

Wie gut sind Kombimedikamente gegen eine Erkältung?

Kombimittel sind wenig erforscht
Kombimittel gehören zu den beliebtesten Erkältungsmitteln, wie Verbraucherumfragen zeigen. Apotheken machen mit Erkältungsmitteln jährlich mehrere hundert Millionen Euro Umsatz in Deutschland. Doch Kombimittel ist nicht gleich Kombimittel. Hersteller:innen weltweit mischen zwei oder mehr Wirkstoffe in unterschiedlichen Dosierungen zusammen und bringen sie mit mal ähnlichen, mal ganz anders lautenden Namen auf den Markt.
Ob diese Mittel wirklich besser wirken als Placebo, ist jedoch kaum erforscht. Das zeigte eine Metaanalyse der Cochrane Stiftung nach einer gründlichen Recherche. Obwohl es etliche Produkte auf dem Markt gibt und sie sehr oft verkauft werden, ist meist fraglich, wie gut sie wirken. Zur Verträglichkeit bei Kindern gibt es besonders wenige Daten.

Kombimittel haben Nachteile
Wenn es in jeder Arzneimittelwerbung heißt: “Zu Risiken und Nebenwirkungen…” müsste es bei Kombi-Produkten korrekterweise auch heißen: “Zu Risiken, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen …”. Denn wenn man gleichzeitig unterschiedliche Arzneimittel zu sich nimmt, riskiert man, dass die Wirkung der einzelnen Arzneistoffe im Körper auch mal außer Kontrolle geraten kann. Denn die Wirkung kann sich ungünstig addieren oder beeinflussen.

Meditonsin, Umckaloabo, Grippostadt: Was die Erkältungsmittel wirklich können, haben die Quarks Science Cops überprüft. Hier geht es zu den Ermittlungen.

Ein Beispiel: Einige hustenlindernde Wirkstoffe belasten die Leber, genau wie das in vielen Kombiprodukten verwendete Schmerzmittel Paracetamol. Kommt dann noch Alkohol dazu, kann das die Leber stark belasten. Einer der Bestseller enthält 18 Prozent Alkohol. Auf ein Glas warmes Bier als Hausmittel solltest du in Kombination mit den Komplex-Medikamenten verzichten.

Was ist in den Kombimedikamten überhaupt drin?
Einige Wirkstoffe sind in den Kombi-Erkältungsmitteln sehr beliebt. Dazu gehören:
Antihistaminika der ersten Generation: Diese Mittel wurden ursprünglich als Heuschnupfenmittel entwickelt. Eine Nebenwirkung ist, dass sie müde machen. Nimmst du solche Mittel am Abend, kannst du vielleicht besser schlafen. Willst du aber wach und fit sein oder noch Autofahren, lass besser die Finger davon. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen.
Analgetika: Schmerzstiller sollen dir die Kopfschmerzen nehmen. Beliebt sind Acetylsalicilsäure, Ibuprofen und Paracetamol. Alle drei senken auch Fieber. Frei von Neben- und Wechselwirkungen sind sie allesamt nicht.
Dekongestiva: Abschwellende Wirkstoffe kennst du vielleicht aus dem Nasenspray. In Erkältungsmitteln schluckst du sie herunter und sie verteilen sich im ganzen Körper. In der Cochrane-Metastudie waren das zum Beispiel Ephedrin und Pseudoephedrin. Eine der Nebenwirkungen dieser Wirkstoffe ist erhöhter Blutdruck. Die Mittel sind auf der Dopingliste der WADA genannt und Sportler:innen dürfen sie nur in begrenzten Mengen nutzen.
Weitere Inhaltsstoffe: Vitamin C, Koffein und Alkohol.
Artikel Abschnitt:
Andere Kombi-Mittel enthalten müde machende Antihistaminika, die gegen den Schnupfen helfen sollen. Gegen die “Nebenwirkung” Müdigkeit wird dann Koffein hinzugefügt – das wiederum zu Herzrasen führen kann: unnötiges “Hick-Hack” für den Kreislauf.
Risiko der Überdosierung
Erkältungssymptome wie Husten und Halsschmerzen treten eher selten gleichzeitig auf. Warum sollte man sie dann gleichzeitig behandeln? “Schrotschusstherapie” nannte das der Bremer Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske. Der Begriff beschreibt bildhaft, wie unspezifisch die Medikamente wirken. Sie kombinieren mehrere Wirkstoffe, die nicht alle gebraucht werden. Einen Treffer landen sie damit wahrscheinlich, aber es kommen auch Wirkstoffe in den Körper, die gar nicht gebraucht werden.

Das Problem dabei: Stell dir vor, der Kopf dröhnt und trotz zwei Portionen “Grippo-Stopp” wird es kaum besser. Du nimmst eine weitere Dosis, damit genug Schmerzmittel im Gehirn ankommt. Mit dem Schmerzmittel gelangt aber auch ein Schnupfenmittel in deinen Körper. Und diese Wirkstoffe kann man schnell mal überdosieren: Sie machen müde oder führen zu Herzrasen. Dann ist vielleicht nach vier oder fünf Dosen der Kopfschmerz weg, aber die Nebenwirkungen der anderen Wirkstoffe belasten deinen Körper.

Wie gut sind die Kombinationen?
Kombination aus Antihistaminika und abschwellenden Wirkstoffen: Nach drei bis zehn Tagen besserten sich die Symptome bei der Mehrheit der Studienteilnehmenden laut der Cochrane-Untersuchung. Von denjenigen, die das Arzneimittel erhalten haben, fühlten sich 70 Prozent besser (vs. 55 Prozent Placebo). Aber fast jede dritte Person (31 Prozent), die in den Studien die Medikamente ausprobierte, bemerkte Nebenwirkungen.
Kombination aus schmerzstillenden und abschwellenden Mitteln: Insgesamt fanden die Forschenden hinter der Cochrane-Studie hier nur sechs Studien. Eine davon berichtete über die Wirksamkeit: 73 Prozent profitierten demnach von den Kombiprodukten im Vergleich zu 52 Prozent der Teilnehmenden in der Kontrollgruppe. In den Studien zeigte sich, dass die Mittel eher häufig unerwünschte Nebenwirkungen auslösen.
Kombination aus Antihistaminikum und Schmerzmittel: Hier fanden die Forschenden nur zwei Studien, die über die Gesamtwirksamkeit berichteten. 70 Prozent in der Gruppe mit aktiver Behandlung waren nach sechs Behandlungstagen geheilt, aber auch 43 Prozent aus der Placebo-Gruppe.
Dreifach-Kombination aus Antihistaminika, Schmerzmittel und abschwellendem Wirkstoff: Die Chance, dass solche Medikamente nicht anschlagen, liegt laut der Cochrane-Studie bei fast 50 Prozent. Dazu kamen mehr unerwünschte Nebenwirkungen als in der Kontrollgruppe. Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, dass die nachgewiesene Wirkung der Kombimittel wahrscheinlich zu gering ist, um klinisch relevant zu sein. Das bedeutet: Vielleicht wirken die Mittel bei dir ein wenig, aber sie können auch Nebenwirkungen haben. Es lohnt sich wahrscheinlich nicht, sie einzunehmen.

Vorsicht bei Vorerkrankungen
Menschen, die unter Bluthochdruck leiden oder mit dem Herz Probleme haben, riskieren Herzrasen, Erregungszustände und Kreislaufprobleme durch einige Schnupfenmittel in Kombi-Produkten. Denn diese Wirkstoffe verengen nicht nur die Gefäße, damit der Schnupfen nicht mehr fließt, sondern erhöhen auch den Puls.
Man belastet das gesamte Herz-Kreislaufsystem “nur”, um den Schnupfen zu stoppen – das ist nicht nötig. Andere kombinierte Wirkstoffe sind für Asthmapatient:innen nicht geeignet. Im Grunde gilt: Wer irgendeine chronische Erkrankung hat und eventuell regelmäßig Medikamente einnehmen muss, sollte auf Kombi-Mittel unbedingt verzichten und sich in der Apotheke Zeit für eine ausführliche Beratung nehmen.

Grippe, grippaler Infekt oder doch eine Erkältung? Alles, was du über Erkältungen wissen musst, liest du hier.

Krankheit wird möglicherweise verschleppt
Egal welches Kombimedikament du nimmst. Die Erkältung geht davon nicht schneller weg. Es dauert etwa 14 Tage, bis das körpereigene Immunsystem die Viren in den Griff bekommt. Wer sich Linderung und Heilung von einer Rundumsorglos-Pille erhofft, vermeidet, sich mit seiner Krankheit wirklich zu beschäftigen. Was genau habe ich eigentlich? Sind es vor allem die Kopfschmerzen, die mich belasten oder nervt mich nur die verstopfte Nase? Bin ich nur schlapp oder zutiefst erschöpft? Letzteres weist darauf hin, dass dein Körper eine richtige Pause braucht.

Medizin, die nur Symptome bekämpft und dich kurzfristig wieder alltagstauglich macht, verhindert diese Regeneration. Ärzte und Ärztinnen empfehlen bei Fieber, starker Müdigkeit und Halsschmerzen Schonung. Im Beratungsgespräch wird geklärt, ob du arbeitsfähig bist. Du solltest zwei bis vier Wochen auf intensives sportliches Training verzichten. Es gibt dokumentierte Fälle von Sportler:innen, die bei einer lang andauernden Erkältung während Training oder Wettkampf kollabiert sind. Aber keine Sorge. Es gibt keine Studien, die gegen leichtes Training bei Erkältung sprechen.

Teurer als man denkt
Auf den ersten Blick sieht das Kombimedikament nach einem Schnäppchen aus: Alle Wirkstoffe gleichzeitig für acht bis zwölf Euro. Wenn man aber bedenkt, dass ein kostengünstiges Nasenspray nur drei Euro kostet und preiswerte Schmerz- und Fiebersenker ebenfalls für drei Euro zu bekommen sind, relativiert sich der vermeintliche Preisvorteil ganz schnell.

Unser Immunsystem schützt uns vor kleinen Infekten, aber auch schweren Erkrankungen. Mit deiner Lebensweise kannst du es verbessern. Wie genau, das erfährst du hier.

Besser einzelne Mittel gezielt einsetzen
Jeder kennt den Tipp: Trinken, schlafen, ausruhen. Und das ist auch tatsächlich, das Wichtigste, was man tun kann. Wir fangen aber jetzt hier nicht mit einer allgemeinen Aufzählung von weiteren Hausmitteln und Tipps an, denn wer erkältet ist und genervt von der laufenden Nase, der geht in die Apotheke.
Bevor du dahin gehst, frag dich: Was belastet mich besonders? Und dann kannst du dich gezielt beraten lassen – eine sorgfältig arbeitende Apotheke kennt und berücksichtigt all die Argumente, die gegen “Grippemittel” sprechen.

Gegen Schnupfen sollte man ein Spray oder Tropfen nehmen. Da ist dann der abschwellend wirkende Stoff direkt da, wo er hingehört: in der Nasenschleimhaut und nicht in den Herzgefäßen. Dass man Nasenspray nicht länger als eine Woche nehmen sollte, ist schon fast allgemein bekannt: Es droht Gewöhnung. Kurzfristig kann Nasenspray aber Sinn ergeben, denn wenn die Nebenhöhlen wieder frei sind, sinkt das Risiko, dass die Ohren zugehen und dort eine Entzündung entsteht durch den Sekretstau.

Gegen Schmerzen und Fieber wirken Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen. Meist kennt man den Wirkstoff, der einem hilft und den man verträgt. Denn beides ist nicht bei allen Menschen gleich. Für den einen bringt Paracetamol die erhoffte Erleichterung, beim nächsten wirkt die Tablette gar nicht. Tatsächlich wirksam scheint eine Kombination von Koffein und Schmerzmittel, da Koffein die Wirkung von Paracetamol und Co leicht erhöht – und eine Dosisreduzierung möglich macht. Allein: Eine Tasse Kaffee oder Tee zur Schmerztablette tut’s da auch – und man hat gleichzeitig was getrunken.
Gegen Halsschmerzen helfen Schmerzmittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen oder Naproxen kurzfristig. Lutschtabletten, die den Schmerz schon im Mund betäuben sollen, zeigen in Studien nur eine geringe Wirkung. Antibiotisch wirkende Zusatzstoffe ergeben wenig Sinn, denn wie oben gesagt: Eine Erkältung ist zunächst eine durch Viren ausgelöste Erkrankung. Kommen Bakterien mit ins Spiel, die die Situation – ein geschwächter Körper – ausnutzen, solltest du sowieso zum Arzt oder zur Ärztin. Antibiotische Halssprays, Gurgellösungen oder Lutschbonbons würden ohnehin nur auf der Oberfläche wirken, während sich die Entzündung in der Tiefe des Gewebes abspielt.

Gegen Husten sind zwar Kräuter gewachsen, aber davon solltest du dir nicht zu viel versprechen. Tests zeigen, dass pflanzliche Mitteln wie Thymian oder Efeu manchmal einzelnen Patient:innen helfen. Auch, wenn sie pflanzlich sind, können sie Nebenwirkungen haben. Pelargoniumwurzelextrakt kann zum Beispiel zu Magen-Darm-Beschwerden führen. Wenn du mit deinem Lieblingsmittel gute Erfahrungen gemacht hast, heißt das leider nicht, dass das Mittel auch anderen hilft. Die Wirksamkeit von vielen Schleimlösern aus der Apotheke ist nicht belegt. Die Wirkstoffe Acetylcystein, Ambroxol oder Bromhexin bringen vermutlich wenig bis gar nichts. Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin kommt nach ausgiebiger Recherche im wissenschaftlichen Konsens zu dem Ergebnis, dass es keine Evidenz für die Wirksamkeit gibt. Nur bei Guaifenesin zeigen wenige Studien Effekte. Sie sind aber so gering, dass unklar bleibt, ob sie in der Behandlung eine Rolle spielen. Neben- und Wechselwirkungen können bei diesen Mitteln dennoch auftreten.

Damit du trotz Erkältung schlafen kannst: Auch die Antihistiminika als Schlafmittel sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.
Fazit: Für die meisten Erkälteten sind “Grippemittel” nicht gefährlich. Sie können kurzfristig auch einige Symptome lindern. Trotzdem sind sie überflüssig.

Schreibe einen Kommentar