Die Verbrennung der vierundfünfzig Templer
Die Verbrennung von vierundfünfzig Templern am 12. Mai 1310 stellt eines der erschütterndsten Kapitel des Templerprozesses dar. Dieses grausame Ereignis war nicht nur ein Schlag gegen die Verteidiger des Ordens, sondern auch ein deutliches Zeichen für die Entschlossenheit König Philipps IV., den Templerorden endgültig zu vernichten. Das Vorgehen des französischen Königs und seiner Berater zeigt die Mechanismen von Propaganda, Machtausübung und juristischer Willkür auf erschreckende Weise.
1. Politische und kirchliche Hintergründe
Im Zuge der Verhöre und bischöflichen Untersuchungen hatte sich herauskristallisiert, dass viele Templer nicht bereit waren, die Anschuldigungen gegen ihren Orden zu bestätigen. Besonders die standhaften Verteidiger des Ordens waren Philipp IV. ein Dorn im Auge. Der König hatte in diesem Zusammenhang eine klare Strategie: Er wollte die Verteidigung des Templerordens im Keim ersticken und jeglichen Widerstand brechen.
- Der Bischof von Sens, Stephan Béquard, war im März 1309 gestorben. Philipp IV. hatte darauf gedrängt, den Sitz vakant zu halten und schließlich seinen Vertrauten Philipp von Marigny zum Erzbischof von Sens zu ernennen.
- Damit sicherte sich Philipp die Kontrolle über die gesamte Kirchenprovinz Sens, zu der auch Paris gehörte.
- Der neue Erzbischof war der Bruder von Enguerrand de Marigny, dem Finanzminister und einem der einflussreichsten Berater des Königs.
In diesem Kontext wurde deutlich, dass die bischöflichen Gerichte nicht unabhängig agierten, sondern den Interessen des Königs unterstanden.
2. Die Eskalation im Mai 1310
2.1 Das Provinzialkonzil von Sens
Papst Clemens V. hatte den Bischöfen das Recht zugesprochen, über die Templer in ihren Diözesen zu urteilen. Daraufhin berief Philipp von Marigny für den 11. Mai 1310 ein Provinzialkonzil in Paris ein.
- Peter von Bologna, einer der prominentesten Verteidiger des Templerordens, erfuhr von dem Plan.
- Er und andere Verteidiger beantragten bei der päpstlichen Untersuchungskommission am 10. Mai die Intervention gegen das Konzil, da sie befürchteten, dass es zu vorschnellen Verurteilungen kommen würde.
- Gilles Aycelin, der Vorsitzende der Kommission, zeigte Verständnis, lehnte jedoch jegliche Intervention ab. Er verwies darauf, dass die bischöflichen Gerichte direkt dem Papst unterstellt seien und die Kommission hier keine Befugnisse habe.
Die Verteidiger des Ordens sahen sich somit einer aussichtslosen Lage gegenübergestellt.
2.2 Der Prozess und die Verurteilung
Obwohl viele Gelehrte der Pariser Universität die Rechtmäßigkeit der bischöflichen Gerichtsverhandlung anzweifelten, ignorierte Philipp von Marigny diese Einwände. Während die päpstliche Untersuchungskommission am 11. Mai weiterarbeitete, bereitete Marigny still und heimlich die Verurteilung der Templer vor.
- Am 12. Mai 1310 wurden 54 Templer, die sich besonders aktiv für die Verteidigung ihres Ordens eingesetzt hatten, zum Scheiterhaufen geführt.
- Diese Templer hatten ihre Aussagen widerrufen und den Orden vehement verteidigt.
- Sie wurden beschuldigt, Häresie begangen zu haben, und ohne weiteres Verfahren zum Tode verurteilt.
3. Die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen
Am 12. Mai 1310 wurden die Templer auf Karren geladen und aus ihren Kerkern geführt. Sie wurden in der Nähe des St. Antonius-Konvents vor den Toren von Paris auf ein freies Feld gebracht.
- Wilhelm von Nangis, ein Zeitzeuge, schilderte:
„Sie alle, ohne Ausnahme, erkannten schließlich keine der ihnen zur Last gelegten Verbrechen an, sondern bestritten sie beharrlich und beteuerten ohne Unterlass, dass sie ohne Grund und gänzlich ungerecht zu Tode gebracht werden: und dies, fürwahr, konnten viele Leute mit eigenen Augen erkennen und das nicht ohne große Bewunderung und höchstes Erstaunen.“
- Die Templer starben einen qualvollen Tod, doch sie blieben bis zum Schluss standhaft und hielten an ihrer Unschuld fest.
4. Auswirkungen der Massenhinrichtung
Die Verbrennung der vierundfünfzig Templer war ein Schock für die Öffentlichkeit und ein deutlicher Einschüchterungsversuch gegenüber allen anderen Templern, die noch bereit waren, ihre Unschuld zu verteidigen.
- Die Furcht vor weiteren Verurteilungen und Hinrichtungen führte dazu, dass viele Templer ihre Geständnisse nicht widerriefen.
- Die päpstliche Kommission wurde durch die Ereignisse schwer erschüttert, und viele Zeugen hatten so große Angst, dass sie kaum noch aussagten.
- Philipp von Marigny zeigte, dass er in seiner Diözese die vollständige Kontrolle hatte und dass der König bereit war, seine Ziele mit äußerster Brutalität durchzusetzen.
5. Die Reaktion des Papstes
Papst Clemens V. war über die Ereignisse in Paris zutiefst verstört. Er konnte die Exekutionen jedoch nicht verhindern und musste einmal mehr erkennen, dass seine Macht im Vergleich zur des französischen Königs begrenzt war.
- Der Papst schrieb später an Philipp IV. und beklagte, dass das Vorgehen gegen die Templer ohne seine Zustimmung erfolgt sei.
- Doch die päpstliche Kritik blieb folgenlos. Der König hatte sein Ziel erreicht: Die Verteidigung des Templerordens war de facto gebrochen.
6. Fazit
Die Verbrennung der 54 Templer war ein präzedenzloser Akt der Machtdemonstration und Brutalität. Es war nicht nur ein Schlag gegen die Verteidiger des Ordens, sondern auch ein Symbol für die Schwäche des päpstlichen Einflusses gegenüber der französischen Krone.
- Philipp IV. hatte seine Kontrolle über die kirchlichen Gerichte gefestigt.
- Die päpstliche Kommission war demoralisiert und eingeschüchtert.
- Die öffentlichen Hinrichtungen hatten eine abschreckende Wirkung auf andere Templer, die vielleicht noch über einen Widerruf ihrer Geständnisse nachgedacht hatten.
Der 12. Mai 1310 bleibt somit ein tragisches Datum in der Geschichte des Templerordens und ein Zeugnis für die skrupellose Machtpolitik eines Königs, der bereit war, für seine Ziele über Leichen zu gehen.