Psychoaktives Sakrament? Rechtsstreit um „Pilzkirche“ in Utah entbrannt
Kommunion oder Verbrechen?
Psychedelische Pilze haben eine lange Geschichte in religiösen Ritualen – doch heute sind sie gesetzlich verboten. Eine Kirche in Utah, die psychoaktive Pilze als Sakrament verwendet, sieht sich nun religiöser Verfolgung ausgesetzt – nur wenige Monate nachdem Utahs Gouverneur Spencer Cox ein Gesetz zur Stärkung der Religionsfreiheit unterzeichnet hatte.
Inmitten von Polizeirazzien, der Beschlagnahmung von Sakramenten und sogar drohenden Drogendelikten gegen den Gründer hat nun eine US-Bundesrichterin zugunsten der Kirche entschieden. Ihre Begründung: Religionsfreiheit müsse für alle gelten – auch für Kirchen, deren Sakrament technisch gesehen gegen das Gesetz verstoße.
Die „Pilzkirche“ im Porträt
„Eine staatliche Stelle darf die freie Ausübung der Religion einer Person nicht wesentlich einschränken“, heißt es im Religious Freedom Restoration Act (RFRA) von Utah, das im März des vergangenen Jahres vom Senat verabschiedet und unterzeichnet wurde. Laut diesem Gesetz darf der Staat Handlungen, die „wesentlich durch einen aufrichtig vertretenen religiösen Glauben motiviert sind“, nicht behindern – es sei denn, es handelt sich offenbar um die Glaubensgemeinschaft Singularism, gegründet in Provo von einem Mann namens Bridger Lee Jensen.
Singularism sieht den Konsum von Psilocybin – der psychoaktiven Substanz in Hunderten von Pilzarten – als religiöses Sakrament an. Für etwa 1.600 Dollar pro Tee-Zeremonie können Anhänger das ansonsten illegale Sakrament in einem geschützten, kontrollierten Rahmen konsumieren. Die Webseite von Singularism beschreibt diesen Ort als „heiligen Raum, in dem sich Wissenschaft und Spiritualität vereinen“.
Doch dieses Modell fand ein jähes Ende am 11. November 2024, als die Polizei Utahs das religiöse Zentrum von Singularism stürmte und 450 Gramm Pilze und pilzähnliches Material beschlagnahmte. Kurz darauf wurde Jensen wegen mehrerer drogenbezogener Straftaten angeklagt.
Sakrament oder juristische Lücke?
Jensen wehrte sich – und reichte eine einstweilige Verfügung gegen die Behörden ein. Diese wurde nun von US-Bundesrichterin Jill Parrish genehmigt. In ihrer Begründung heißt es:
„Das Gesetz muss seinen Schutz sowohl auf unbeliebte oder unbekannte religiöse Gruppen ausweiten, als auch auf populäre oder etablierte – wenn Religionsfreiheit wirklich etwas bedeuten soll.“
Weiter schreibt sie:
„Die Gründung des Staates Utah selbst spiegelt diese Wahrheit wider – durch die gelebte Erfahrung der Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.“
Richterin Parrish wies Zweifel zurück, dass es sich bei Singularism lediglich um ein juristisches Schlupfloch zum legalen Drogenkonsum handele. Sie ordnete an, dass die örtlichen Behörden Jensens „aufrichtigen religiösen Gebrauch von Psilocybin“ nicht behindern dürfen, solange das Gerichtsverfahren läuft.
In ihrem Urteil kritisierte sie scharf, dass der Staat die „zwanghafte Macht seines Strafrechtssystems“ genutzt habe, „um eine neue Religion, die er für anstößig hält, zu belästigen und zu zerschlagen“.
Alte Geschichte
Dass psychedelische Substanzen eine lange religiöse Geschichte haben, ist unbestritten. Indigene Völker Amerikas nutzen Psilocybin-Pilze und Ayahuasca seit mindestens 3.000 Jahren in spirituellen Ritualen. Auch Archäologen fanden Hinweise auf rituellen Einsatz psychedelischer Substanzen in Irak, Indien und Griechenland.
Einige Bibelwissenschaftler vermuten sogar, dass Johannes von Patmos, Verfasser der Offenbarung, sein Werk unter dem Einfluss halluzinogener Prunkwinden (Morning Glory) verfasste – bewusst oder unbewusst. Die Kirche in Utah mag neu sein, ihre Glaubenstradition ist es nicht.
Die entscheidende Frage lautet nun: Ist sie legal?
Im Zentrum des Rechtsstreits steht der Konflikt zwischen dem illegalen Sakrament einer religiösen Gruppe und dem strikten Anti-Drogen-Gesetz des Staates. Utah hat umfassende religiöse Schutzgesetze, zuletzt durch das RFRA gestärkt. Aber gelten diese wirklich für alle Glaubensgemeinschaften?
Oder hat die Religionsfreiheit in Utah Bedingungen und Einschränkungen?
Das werden die kommenden Prozesse zeigen. Doch eines steht fest: Der Fall der „Pilzkirche“ könnte das Verständnis von Religionsfreiheit in den USA dauerhaft verändern.