Was jeder gegen das „Frühableben“ von Produkten tun kann
Ein neuer Trend breitet sich aus – nicht in den Schaufenstern der Konsumtempel, sondern im Bewusstsein mündiger Verbraucher: der Widerstand gegen Produkte, die schneller kaputtgehen, als man „Garantiezeit“ sagen kann. Kein Einzelfall, kein Zufall – sondern oft System. Doch ist Reparieren wirklich die einzige Antwort? Oder gibt es andere Wege, dem Irrsinn der geplanten Obsoleszenz zu entkommen?
Gibt es wirklich geplante Obsoleszenz?
Wer den ARTE-Film „Kaufen für die Müllhalde“ gesehen hat, dürfte kaum noch Zweifel haben: Ja, es gibt sie – die gewollte, systematische Verkürzung von Produktlebenszyklen. Und das nicht erst seit gestern. Schon 1924 gründeten große Glühlampenhersteller das Phoebus-Kartell, um Glühbirnen künstlich zu schwächen. Statt 2.500 bis 10.000 Stunden wie zu Edisons Zeiten, sollten Lampen nur noch 1.000 Stunden halten – natürlich bei steigenden Preisen.
Selbst heutige LEDs, die theoretisch Jahrzehnte brennen könnten, werden in Billiggehäusen mit hitzeempfindlichen Bauteilen verbaut – Ausfall nach wenigen Jahren inklusive. Von Energiesparlampen, die Sondermüll erzeugen, ganz zu schweigen.
Mode, Medien und Maschen
Doch es geht nicht nur um Technik. Auch die Modeindustrie weiß, wie man Dinge „veralten“ lässt. Erinnern Sie sich an die robusten Nylonstrümpfe der 1940er-Jahre? Unkaputtbar – zu robust für den Profit. Die Ingenieure sollten sie so umbauen, dass Maschen wieder „laufen“. Die Folge: heutige Strümpfe reißen beim kleinsten Kontakt – doch der Kunde denkt, das müsse so sein. Schließlich will man „modisch“ sein.
Ähnlich perfide: Die Suggestion, ein veraltetes Handy zeuge von schlechtem Geschmack, sozialem Abstieg oder gar Armut. Wer mit einem alten Gerät auftaucht, outet sich – so die Marketingbotschaft – als rückständig. Also lieber gleich neu kaufen. Und George Clooney trinkt seinen Kaffee schließlich auch nicht mehr mit der Porzellankanne von Oma…
Reparieren ist (wieder) in – aber wie?
In einer Zeit, in der Waschmaschinen wie Einwegprodukte behandelt werden und Drucker plötzlich „unreparierbar“ sind, wächst ein Gegentrend: Selbst reparieren, selbst entscheiden, länger nutzen. Hier ein paar praktische Tipps:
1. Produkte mit modularer Bauweise bevorzugen
Achten Sie beim Kauf auf Geräte, bei denen sich Akku, Speicher oder einzelne Bauteile austauschen lassen – ohne Spezialwerkzeug oder Lötstation.
2. Reparatur-Cafés und Anleitungen nutzen
In vielen Städten gibt es offene Reparaturtreffs. Auch Online-Plattformen wie iFixit, Repair Café, Kaputt.de oder Fairphone helfen mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Werkzeugsets.
3. Nachhaltige Marken unterstützen
Firmen wie Miele, Bosch, Liebherr, Fairphone oder Framework (für Laptops) setzen bewusst auf Langlebigkeit, Ersatzteilverfügbarkeit und Reparierbarkeit.
4. Nicht jeden Trend mitmachen
Trendsetter sind die besten Kunden – für die Industrie. Aber meist die schlechtesten für Umwelt, Geldbeutel und Verstand. Kaufen Sie, wenn Sie etwas brauchen, nicht, weil jemand sagt, dass Sie etwas „haben sollten“.
Aufklärung statt Konsumrausch
Wer die Geschichte der Glühbirne kennt, schaut anders auf LED-Werbung. Wer weiß, dass ein Drucker nur wegen eines internen Zählers streikt, stellt Fragen. Wer erkennt, dass der Umstieg von analogem Kaffee auf Kapselmaschinen nur einem nützt – nämlich dem Hersteller – entscheidet bewusster.
Wie sagte der Ökonom Niko Paech treffend:
„Es gibt in Deutschland nicht wenige Mittelschichtshaushalte, die regelmäßig funktionierende Geräte entsorgen – weil etwas Neues auf dem Markt ist.“
Ein Verhalten, das durch Design, Werbung und soziale Normen befeuert – und von der Industrie systematisch ausgenutzt wird.
Was also tun? Vier einfache Regeln:
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Kaufen Sie nur, was Sie wirklich brauchen.
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Bewerten Sie Produkte nach Nutzen, nicht nach Trend.
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Verweigern Sie sich dem Druck, ständig „up to date“ sein zu müssen.
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Hinterfragen Sie „grüne“ Versprechen kritisch – nicht jedes angebliche Energiesparprodukt spart am Ende tatsächlich Ressourcen.
Schlusswort
„Wertarbeit kommt nur von Wertarbeitern“, schreibt das Münchner Traditionshaus Kustermann in seinem Kundenmagazin. Ein Satz, der uns wieder bewusst machen sollte: Qualität ist kein Zufall – und sie braucht Zeit, Wissen, Hingabe. Wer heute billig kauft, zahlt doppelt. Wer bewusst kauft, zahlt vielleicht mehr – aber nur einmal.
Wir haben die Wahl: Konsumieren wir weiter blind – oder leben wir wieder mündig?
Denn nicht jedes Produkt stirbt früh – manche werden einfach ermordet.