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Polen und Ungarn lenken beim Streit in der EU um die Rechtsstaatlichkeit ein

Im Streit um die Blockade des EU-Haushalts haben sich Polen und Ungarn mit der deutschen Rats-Präsidentschaft auf einen Kompromiss geeinigt. Es soll sich um eine Zusatzerklärung zum sogenannten Rechtsstaatsmechanismus handeln: Solange der Europäische Gerichtshof (EuGH) kein Urteil gesprochen habe, dürfe die Kommission den Rechtsstaatsmechanismus nicht anwenden. Stimmen auch die übrigen Mitgliedstaaten sowie das Europaparlament zu, könnten die bisher blockierten Corona-Hilfen womöglich doch noch wie geplant im nächsten Jahr fliessen.

Nach unbestätigten Informationen wurde dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zugesichert, dass der Rechtsstaatsmechanismus nicht etwa dazu benutzt werden soll, Ungarn zur Aufnahme von Migranten oder zu einem Richtungswechsel in der Familienpolitik zu bewegen. Die Möglichkeit, bei Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder zu kürzen, soll erst ab 2021 und nicht rückwirkend gelten. Das ist für Polen und Ungarn wichtig, weil gegen sie bereits Rechtsstaatsverfahren laufen.
Hinter dem Streit um den Rechtsstaatsmechanismus sieht die Europarechtlerin Christa Tobler einen fundamentalen Dissens. Die Identität der EU stehe auf dem Spiel. Denn die EU sei eine Gemeinschaft des Rechts, und das unterscheide sie von Mächten wie China oder Russland. Und genau das werde jetzt infrage gestellt, und zwar von innen.

Das bedeutet die Einigung für Ungarn und Polen: Dass Polen und Ungarn die Formulierung des Rechtsstaatsmechanismus fast unverändert akzeptierten, wird beide in argumentative Nöte bringen. Dies ist weniger ein Problem für Orban, der unangefochten regiert. Für den rechten Flügel in der polnischen Regierung wäre der Verzicht auf ein Veto gegen das EU-Budget und den Corona-Hilfsfonds in der Gesamthöhe von 1,8 Billionen Euro hingegen ein möglicher Grund, die Koalition zu sprengen.

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