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Klimaanpassung So müssen wir uns ans Klima anpassen

Der Klimawandel lässt uns keine andere Wahl – wir müssen lernen, mit seinen Folgen zu leben und uns an ihn anzupassen. So funktioniert es.

Darum geht’s:
Die Folgen des Klimawandels sind extrem
Waldbrände in Griechenland, Hitzerekorde in Sibirien, Extremniederschläge in Europa – kurze Auszüge aus 2021, ein weiteres Jahr der Wetterextreme.
Laut dem Rückversicherungsunternehmen Münchener Rück entstanden seit 1981 durch Extremwetter weltweit Sachschäden in Höhe von 4200 Milliarden US-Dollar. Mitte Juli 2021 verursache allein Tief Bernd in Europa Gesamtschäden von 46 Milliarden Euro, davon 33 Milliarden Euro in Deutschland. Doch laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind weniger als die Hälfte aller Häuser in Deutschland gegen Elementarschäden versichert. Das heißt: Wird zum Beispiel das eigene Haus durch Extremniederschläge unbewohnbar, bleibt man auf dem Schaden sitzen. Das könnte in Zukunft zu einem Problem werden, denn rein statistisch gesehen hinterlassen Extremwetter in Europa selbst in „normalen“ Jahren mittlerweile Schäden von zwölf Milliarden Euro. In den letzten Jahrzehnten treten diese weltweit wesentlich häufiger auf. Es verdichten sich die Hinweise, dass dies mit dem Klimawandel zusammenhängt.

In Deutschland starben in den von Tief Bernd herbeigeführten Sturzfluten über 180 Menschen. Eine Studie von Forschenden der Monash-Universität in Australien belegt, dass der Klimawandel weltweit jährlich fünf Millionen Menschenleben fordert. Denn trotz internationaler Klimaschutzabkommen ist die globale Durchschnittstemperatur seit der Industrialisierung um 1,2 Grad Celsius gestiegen – in Deutschland bereits um 1,6 Grad Celsius. Die Weltgemeinschaft ist dabei, die Pariser Klimaziele zu verfehlen. Zwar haben wir noch Chancen. Doch dass ab jetzt jedes Zehntelgrad im Kampf gegen den Klimawandel zählt, hat der Weltklimarat 2021 im sechsten Klimasachstandsbericht besonders deutlich herausgestellt.

Dr. Inke Schauser, Expertin des Umweltbundesamtes (UBA) für Klimaanpassung, weist darauf hin: „Viele Klimaschutzziele, die weltweit versprochen worden sind, werden bis dato nicht mal durch Maßnahmen gedeckt. Und die Maßnahmen, die versprochen worden sind, sind häufig viel komplizierter, als man sich das politisch momentan eingesteht.“ Deshalb untersuche man, was in Deutschland passiert, wenn sich die Erde durchschnittlich bis Mitte des Jahrhunderts um zwei oder gar drei Grad aufheizt. Das wird in der Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes festgehalten. Es sei besser, sich auf eine „Drei-Grad-Welt“ einzustellen, als hinterher überrascht zu sein, sagt Inke Schauser. Die Europäische Kommission stellt sich sogar schon auf eine vier Grad Celsius wärmere Welt ein.

Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Der Klimawandel erfordert Maßnahmen auf allen Ebenen
Unabhängig davon, um wie viel Grad sich die Welt am Ende erwärmen wird – die Klimakrise beeinflusst schon heute jeglichen Sektor unserer globalisierten Gesellschaft.
Die übergeordneten Bereiche Biodiversität und Ökosysteme sind durch den Klimawandel mit am stärksten betroffen und gefährden alle Sektoren. „Besonders bedroht sind die natürlichen Systeme und Ressourcen wie Wasser, Boden, Arten, Ökosysteme. Das liegt vor allem daran, dass sie direkt vom Klimawandel betroffen sind“, sagt UBA-Expertin Inke Schauser. Ihr Schutz sei wichtig, weil sie am Anfang von Wirkungsketten stünden. „Schädigt der Klimawandel diese Bereiche, wirkt sich das auf die naturnahen Sektoren wie Fischerei sowie Land-, Forst- und Wasserwirtschaft aus“, so Schauser.

Schließlich gefährdet die Klimakrise auch unsere Gesundheit und Prozesse innerhalb der naturfernen Sektoren, wie zum Beispiel Handel und Produktion.

Die Liste der potenziellen Maßnahmen im jeweiligen Sektor ist lang und vielfältig. Welche Maßnahmen getroffen werden, hängt von den spezifischen Klimarisiken ab. Diese wiederum sind oftmals abhängig von der geografischen Lage.
Der Blick auf die Klimaschäden zeigt: Einerseits müssen wir das Klima weiter schützen und andererseits widerstandsfähiger werden. Letzteres gelingt erst durch Anpassungsmaßnahmen auf Bundes-, Länder-, Kommunal- und Individualebene.

Naturnahe: Wald- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft, Küsten- und Meeresschutz, Landwirtschaft, Boden, biologische Vielfalt, Fischerei

Naturferne: Industrie und Gewerbe, Finanzwirtschaft, Bauwesen, Bevölkerungsschutz, Energiewirtschaft, Tourismuswirtschaft, Verkehrswirtschaft, Gesundheitswesen, Raum- und Bauplanung

Bundesebene:
Deutschland hat seit 2008 eine Klimaanpassungsstrategie (DAS). Ziel ist es, durch 147 unterschiedliche Maßnahmen die Klimafolgen für die Bundesrepublik abzumildern und die verschiedenen Sektoren gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähiger zu gestalten. Deutschland steht dazu auf internationaler und europäischer Ebene im engen Austausch mit anderen Staaten. Der Bund stellt Informationen und Analysen bereit, zum Beispiel durch das beratende Zentrum Klimaanpassung.

Länderebene:
Die Bundesländer greifen diese Aktivitäten auf und passen sie regionalspezifisch an. Nordrhein-Westfalen (NRW) gilt als Vorreiter der Klimaanpassung. Es ist das einzige Bundesland, das ein Klimaanpassungsgesetz verabschiedet hat, und ist damit sogar dem Bund voraus. NRW stellt Kommunen und Bürger:innen digitale Klimaanpassungskarten bereit. Diese enthalten unter anderem Informationen über Hochwassergefahrenzonen und Wärmeinseln in jeglichen Stadtgebieten innerhalb NRWs. Zusätzlich bietet der Klimaatlas NRW relevante Klimainformationen und -projektionen zu Lufttemperatur, Niederschlag, Wind und Sonnentagen.

Kommunalebene:
Kreise, Städte und Kommunen werden direkt von den Ländern unterstützt und engagieren sich unterschiedlich stark. In Deutschland sind vor allem die großen sehr aktiv, nehmen die Aktivitäten von Bund und Ländern auf und vernetzen sich europaweit. Auf kommunaler Ebene passiere hinsichtlich Klimaanpassung bisher vor allem immer dort viel, wo innovative Bürgermeister:innen und innovative Hochschulen aufeinandertreffen, so UBA-Expertin Inke Schauser. Ein wesentlicher Treiber ist politischer Druck, vor allem durch Extremwetterereignisse in den Kommunen. Hier berichten wir, wie sich Städte an den Klimawandel anpassen können. Das UBA hat eine Liste mit 227 Maßnahmen veröffentlicht, die Kommunen zeigt, wie sie sich anpassen können.

Individualebene:
Einen ersten Überblick kann man sich durch den Naturgefahren-Check vom GDV verschaffen. Der Vorteil: Im Anschluss kann man einschätzen, ob eine Elementarversicherung sinnvoll ist. Weitere Informationen über die spezifischen Klimarisiken am Wohnort, wie zum Beispiel über Hochwasser-, Starkregen-, Hitze- oder Hagel- und Sturmgefahren, erhalten Privatpersonen auf den Portalen der Bundesländer oder ihrer Kommunen. Erst wenn diese Risiken bekannt sind, kann man die richtigen Maßnahmen treffen – nur wie? Hier stellen wir einige Maßnahmen vor, mit denen es am Beispiel Hochwasserschutz im Eigenheim funktionieren kann.

So schützt man sich vor Hochwasser
Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung entlastet das Kanalsystem bei Hochwasser. Auf diese Weise versickert und verdunstet Regenwasser. Zusätzlich kann es zum Gebrauch in Garten und Haushalt gesammelt werden. Dafür sollten bei Neubauten Ein- und Zufahrten nicht versiegelt werden. Ziel ist es, den Oberflächenabfluss möglichst gering zu halten. Anhand der Onlinesimulation FReWaB der Universität Freiburg und des Unternehmens WWL lässt sich das Versickerungspotenzial eines Grundstücks für alle Regionen Deutschlands berechnen.

Durch eine weiße Wanne, also einen Keller aus wasserdichtem Beton, können bei Neubauten Kelleraußenwände und -böden vor Feuchte geschützt werden.
Druckwasserdichte Kellerfenster, Lichtschächte sowie Kellereingänge mit Schutzplatten und 15 Zentimeter hohen Aufkantungen können vor eindringendem Wasser schützen.

Man sollte überlegen, ob man etwa teure elektrische Geräte in höhere Stockwerke stellt, um diese im Falle von Hochwasser zu schützen. Gleiches gilt für Dinge, an denen man emotional hängt und die sich nicht so einfach ersetzen lassen, wie beispielsweise Fotos oder Erbstücke.

Zusätzlich können mobile Schutzbarrieren, wie beispielsweise Sandsäcke und Wasserpumpen helfen, schlimmere Schäden zu verhindern.

Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Es läuft – nur zu langsam
Deutschland hat laut neustem Monitoringbericht des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz von 2020 bereits drei Viertel seiner Anpassungsmaßnahmen umgesetzt. Dass dies kein Grund ist, die Hände in den Schoss zu legen, zeigt ein Blick auf die Statistik von NRW und seinen Kommunen. Im Jahr 2020 hatten nur 16,4 Prozent der Kommunen und 19,4 Prozent der Kreise NRWs ein Klimaanpassungskonzept. Zwar waren es 2013 bei den Kommunen nur 4,3 Prozent, doch ist dieser Zuwachs über einen Zeitraum von sieben Jahren gesehen gering. Unsere Recherche zeigt: An vergleichbare Statistiken anderer Bundesländer heranzukommen, ist schwierig bis unmöglich.
Dass der Klimawandel auch für Deutschland negative Folgen hat, ist an vielen Stellen nicht ausreichend verinnerlicht worden. Ein Grund dafür: Klimaanpassung ist in Deutschland noch keine „Pflichtaufgabe“. Das Problem: Selbst wenn sich Kommunen engagieren möchten, fehlt es oftmals an finanziellen und personellen Ressourcen. Deshalb setzt sich das UBA nicht nur dafür ein, dass Klimaanpassung zur Pflicht wird, sondern auch dafür, dass dies entsprechend finanziert wird.

Europäische Fortschritte
Insgesamt betrachtet ist Europa gut auf Klimaextreme vorbereitet, weil Zivilschutz und Risikomanagement stark organisiert sind. In Europa ist Finnland der Vorreiter, während Island sich in Sachen Klimaanpassung als europäisches Schlusslicht präsentiert. Das liegt unter anderem daran, dass Finnland in Europa der erste Staat mit einer Anpassungsstrategie war, während Island bis 2021 noch keine hatte. Um die Negativfolgen des Klimawandels abzufedern, möchte sich die Europäische Union bis 2050 zu einer „widerstandsfähigen Gesellschaft“ entwickeln und sich entsprechend anpassen. Im Rahmen des European Green Deals wurden dazu bestehende Maßnahmen nachgeschärft und 2021 in einer neuen Strategie verabschiedet. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichten sich darin, sich stärker an den Klimawandel anzupassen und ihm gegenüber widerstandsfähiger zu werden. Doch die Zeit dafür ist knapp.

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Und jetzt?
Mit dem Klimawandel leben und die Risiken kennen
Der neueste Bericht des Weltklimarats macht es deutlich: Wir wissen theoretisch zwar sehr viel über die Klimakrise, setzen aber wenig um. Teilweise fehlt es am politischen Willen, manchmal an finanziellen und personellen Ressourcen – und im schlimmsten Fall an allem. „Im Prinzip sollten alle langfristigen Planungsentscheidungen, die heute getroffen werden, den Klimawandel von morgen berücksichtigen. Wer die Folgen nicht kennt oder nicht richtig abschätzen kann, sollte den Dialog mit Wissenschaftler:innen suchen, um gemeinsam mit ihnen Strategien zu entwickeln“, sagt Marc Zebisch, Leiter des Instituts für Erdbeobachtungen am Eurac-Research-Zentrum.
Laut Koalitionsvertrag möchte die neue Bundesregierung dazu ein Klimaanpassungsgesetz verabschieden. „Das wäre für Kommunen eine wichtige Grundlage, um schnellstmöglich mit dem Umsetzen beginnen zu können, denn es werden viele Jahre vergehen, bis Maßnahmen wirken“, erklärt die Geografin und Klimaanpassungsexpertin Dr. Luise Porst vom Zentrum für Klimaanpassung.

Neues Bewusstsein für Ressourcen entwickeln
„Es gibt einfache klimatische Veränderungen, die sich heute schon abzeichnen, noch verstärken werden und nicht mehr aufzuhalten sind“, sagt Luise Porst. Gerade deshalb ist es wichtig, Klimarisiken vor Ort zu kennen und ein Bewusstsein für sie zu entwickeln. Gleichzeitig ist es notwendig, einen neuen Blickwinkel auf unsere natürlichen Ressourcen zu bekommen. Zum Beispiel beim Wasser: Es müsse eine ganz andere Bedeutung bekommen, so Inke Schauser vom UBA: „Es könnte in ausreichender Qualität zu einigen Zeiten und in bestimmten Regionen – auch in Deutschland – knapp werden. Daher muss der Kreislauf des Wassers viel bewusster und achtsamer betrachtet werden. Die Verschmutzung muss verringert, das Wasser vor Ort gespeichert und sparsamer verwendet werden.“ Auch die Mehrfachnutzung des Wassers, beispielsweise die Nutzung von Grauwasser für Bewässerung auch im städtischen Raum, werde zukünftig bedeutsamer werden. Grauwasser ist leicht verschmutztes Abwasser aus Haushalten, etwa aus Duschen, Badewannen oder der Küche.

Andererseits kann es infolge von Starkregen zu Überschwemmungen kommen. Um diesen aufzufangen und zurückzuhalten sind verbesserte Speicher, beispielsweise durch Entsiegelung und Grünflächen, wichtig.

Wissensplattformen schaffen und von Erfahrungen anderer profitieren
Auf europäischer Ebene findet dieser Austausch auf der Plattform Climate-ADAPT statt. Auf der Plattform stehen beispielsweise länderspezifische Informationen, anstehende Events und Seminare, nützliche Werkzeuge sowie gute Beispiele, wie Klimaanpassung in Europa funktionieren kann, bereit. Wer etwa wissen möchte, wie sich Italien und Spanien an Hitzewellen anpassen, findet hierzu bis runter auf die kommunale Ebene wichtige und interessante Informationen. Einerseits ist die Plattform für alle gedacht, die sich für das Thema interessieren, andererseits auch zum Austausch sämtlicher Akteure der Klimaanpassung auf allen Ebenen. Es geht darum, voneinander zu lernen. Etwas Vergleichbares gibt es für Deutschland derzeit noch nicht.

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